10. November – Der Sturmteufel

Es war einmal ein Sturmteufel, der hasste seinen Beruf. Immer sollte er den Wind anstacheln, nur ja ordentlich heftig zu wehen, die Gräser zu peitschen, die Bäume zu krümmen und die Häuser zum Wackeln zu bringen.

Dann blähte sich der Wind und wütete und stürmte. Dachziegel fielen herunter und zersprangen in tausend Stücke. Äste krachten auf die Straße und trafen manchmal sogar ein Auto oder einen Menschen. Und die Blätter flogen besonders in der Zeit der Herbststürme wehr- und hilflos durch die Lüfte davon, sammelten sich in den Ecken, wo sie raschelnd liegenblieben.

Der Sturmteufel aber hatte das gründlich satt. Stets musste er seine Zeit im Sturm verbringen, den er ständig herbeizureden, zu flüstern, anzustacheln hatte. Dabei sehnte er sich so sehr nach den linden Lüften des Frühlings, nach den warmen Sommerwinden, die sanft über die Felder strichen und die Bäume zum Singen brachten. Ach und er sehnte sich noch mehr nach Ruhe, nach Stille. Denn die fand er niemals. Immer umgab ihn das Tosen des Sturms.

Da beschloss er, seinen Job hinzuschmeißen. Sturmteufel hatten auch ein Recht auf freie Berufswahl und auf eine eigene Meinung sowieso. Wer wollte ihn zwingen, seiner Bestimmung nachzukommen. Wenn das überhaupt seine Bestimmung war. Nur weil er als Sturmteufel geboren war, hieß das doch noch lange nicht, dass er in seinem tiefsten Herzen nicht doch ein Lüftchenflüsterer war oder ein Wasserkräusler oder ein Blumenleuchter. Ja, solche Geister gibt es nämlich alle.
Als der Sturmteufel nun seinen Posten verließ, hörte der Sturm urplötzlich auf. Die Wolken lösten sich und die Sonne lugte hervor. Ein paar Tiere wagten sich vorsichtig hervor und blickten sich staunend um. Sie raunten sich zu: „Der Sturmteufel ist fort.“ Viele freuten sich und lachten, aber die Eule und der Iltis wiegten bedächtig die Köpfe. Sie hatten Erfahrung. Sowas ging doch niemals gut aus.

Der Sturmteufel aber tauschte seinen Aufgabenbereich mit einem Wasserkräusler, der diesen bedächtigen und nach Genauigkeit verlangenden Beruf ebenfalls gründlich satthatte. So fand letztendlich doch alles wieder seine Ordnung, und der Iltis und die Eule konnten aufhören, mit dem Kopf zu schütteln.