5. November – „Nichts geht mehr“

„Nichts geht mehr“, sagt der Croupier und ich beobachte die gierigen, hoffnungsfrohen, angespannten oder verzweifelten Gesichter. Die verbliebenen Jetons werden in den Händen hin und her gedreht. Die Augen folgen der Kugel, die nun springt und tanzt, bevor sie zur Ruhe kommt, langsam auf eine der Ziffern rollt und liegenbleibt.

„Zero“ sagt der Croupier. Dann schiebt er in unbeteiligter Geschäftigkeit die Jetons von hier nach da, kassiert ein, zahlt aus. Die Spieler um den Tisch scheinen sich allesamt auszukennen. Benötigen keine Erklärung, keine Anweisung. Nur einer entspannt sich, den Übrigen ist die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben.

Doch nur ein Enttäuschter sieht wirklich blass aus, angeschlagen, fast vernichtet. Vielleicht fällt ihm gerade ein, welche Rechnungen er nun noch nicht bezahlen kann – außer denen, die er bereits nicht bezahlt hat. Die Sucht treibt ihn. Die Sucht nach vergeblicher Hoffnung. Die Sucht nach dem Traum vom schnellen Geld. Die Sucht nach dem Unglück. Die Sucht nach dem Drama.

Jeder kann langweilig arbeiten gehen und doch nicht genug auf Tasche haben. Aber in Größe untergehen, das kann nicht jeder. So blass, so weiß um die Nase. Die Augen glimmen tiefschwarz. Er setzt seine letzten Jetons. Ich muss gehen. Ich kann mir den Ausgang nicht ansehen.

Selbst wenn er jetzt gewinnt, so zögert das seinen endgültigen Untergang nur kurz hinaus. Nein, treibt ihn noch weiter hinein. Vorbei. Eine sehr kostspielige Methode dem Leben mit seinen Höhen und Tiefen, mit seinen Zufällen und Glücksmomenten aus dem Wege zu gehen. Roulette ist sicher: Das Gewinnen ist nur eine Illusion, der Verlust garantiert.