17. Juni – Fluch der Biologie

„Das sind doch alles nur die Hormone!“ Das war der Standardspruch meiner Mutter, wenn sich einer aufregte, wütend war, fluchte, weinte oder sich sonst wie gefühlig benahm.

Natürlich klar, die Hormone! Wollte ich nie haben, fand ich überflüssig. Aber Heulen und Trotzen und Wüten und Fluchen, das fand ich richtig gut. Warum ich dazu gleich Hormone brauchte, konnte ich nie verstehen.

Auch als dann das mit der Liebe anfing. Süße Jungs im Freibad bewarf ich immer mit nassen Papierkugeln oder Grassoden, manchmal auch mit Kies.

„Das sind die Hormone“, sagte meine Mutter, als mir der Platzwart deswegen Hausverbot erteilte.

Dieser Sommer war echt beschissen, da saß ich nun mit meinen Hormonen vorm Zaun und hörte die anderen Kinder kreischen und planschen. Und dann der Geruch nach Pommes und Chlor, der durch die gedrahteten Rauten waberte. Alles ohne mich.

Das war der heißeste Sommer meiner Kindheit. Völlig ohne Abkühlung, und das verdankte ich nur den berühmten Hormonen meiner Mutter.

Später dann fuhr ich das Moped meines Bruders gegen das Garagentor. Das waren selbstverständlich auch die Hormone. Diesmal machten sie also Beulen in Metall. Ich selbst bekam nur ein paar Schrammen ab und blaue Flecke, von den Schlägen meines Bruders, als er den Schaden bemerkte.

Die Hormone ließen seine Fäuste zu großen Keulen wachsen, die auf meinen Oberarmen und meinem Rücken trommelten. Ich weinte aber nicht, sondern trat ihm gegen das Schienbein. Das war ein akzeptabler Ausdruck meiner hormonellen Steuerung.

Mutter schüttelte nur den Kopf. Ihre Hormonproduktion war längst eingestellt, diesen Dauerstress könne doch kein Pferd länger aushalten.

„Bei solchen Kindern“, sagte sie immer, „kommt frau doch gern in die Wechseljahre!“
Inzwischen bin ich erwachsen. Da hat sich vieles geändert. Meine Tochter zum Beispiel hält gar nichts von Hormonen, die ist eine Verfechterin der Genetik.

Immer wenn sie mal wieder Mist baut, sagt sie: „Das sind alles deine schlechten Gene, Mama! Ich kann nichts dafür.“