10. Oktober – Irrtum in der Krise

Es muss sich um einen Irrtum handeln. Ganz bestimmt!“ Auf der Suche nach Zustimmung schaute Susanne zu Irene, aber die senkte den Blick und drehte den Kopf leicht zur Seite. Auch Herbert wich ihrem Blick aus. Franz hatte sich bereits abgewandt. Susannes Hände fielen auf den Tisch, ihre Schultern sanken herab. Der Ober reichte ihr die Kreditkarte zurück. Da Susanne sich nicht rührte, legte er sie neben ihre zerknüllte Serviette.

„Wer von den Herrschaften zahlt nun?“

Die Nervosität war ihm anzusehen. Sein Adamsapfel hüpfte im Hals auf und ab, während er die Tischgesellschaft erwartungsvoll ansah. Schließlich zückte Herbert mit einem leisen Seufzer sein Portemonnaie und legte ein paar große Scheine in die gefaltete Rechnung.
„Der Rest ist für Sie!“

Mit einer kleinen Verbeugung und einem verkniffenen Lächeln, das noch nicht einmal bis zu seinen Mundwinkeln reichte, machte der Ober kehrt, die Hand fest um die Beute gelegt. Susanne blickte auf und sah in die Runde. Sie öffnete den Mund und schloss ihn wieder.
Irene entschloss sich, den peinlichen Moment mit einer Bemerkung über das Golfturnier am kommenden Wochenende zu überspielen. Und Franz ließ sich dazu herab die Chancen von Herbert zu loben. Dann wanderte die Unterhaltung zum Thema Benefiz-Gala im November.

Susanne versuchte ein, zwei Mal eine kleine Bemerkung einzuwerfen. Aber die drei anderen schlugen sich die Sätze zu wie Pingpongbälle und ignorierten völlig ihre Anwesenheit.

Da straffte sie die Schultern und lächelte ebenso unecht wie vorher der Ober. Sie stand auf und ging ohne Abschied davon. Hinter ihrem Rücken hörte sie noch das charakteristische Tuscheln aufbranden. Sie verstand, auch ohne zu hören, was sie sagten.

Tränen sammelten sich in ihren Augenwinkeln. Susanne musste heftig zwinkern, um sie zu bezwingen.

Die Kühle der Nacht umfing sie, als sie endlich das Restaurant verließ. Ihre Handtasche baumelte herab. Die hohen Schuhe waren unbequem. Sie war ohne Auto, Herbert hatte sie heute Nachmittag abgeholt. Und nun ließ ihr Stolz nicht zu, sich drinnen ein Taxi rufen zu lassen.

Also lief sie. Nach einer Weile zog sie die Stöckelschuhe aus und ging barfuß. Vielleicht wurde es Zeit, sich daran zu gewöhnen.