27. Januar – Eine Mutter sagte zu ihrem Kinde

Eine Mutter sagte zu ihrem Kinde: „Liebes Kind, ich muss Dich leider verlassen. Vor vielen Jahren habe ich Dich geboren. Ich habe Dich groß gezogen. Ich habe Dich genährt und ich habe Dich gelehrt, was ich wusste, so gut ich es vermochte.

Ich habe Dich gehen lassen, als Du soweit warst, mein Haus zu verlassen. Und ich war dennoch immer für Dich da, wenn Du mich brauchtest. Nun ist es für mich Zeit zu gehen. Und ich bitte Dich darum, mich ein kleines Stück zu begleiten.

Es ist schwer für mich, leb wohl zu sagen. Ich möchte so gerne hier sein, wenn Du Kinder bekommst. Ich möchte so gerne hier sein, wenn all Deine Wünsche in Erfüllung gehen. Ich möchte so gerne bei Dir sein, wenn Du lachst und wenn Du weinst.

Ich wünsche Dir, dass Du Dein Leben genießt. Ich wünsche Dir, dass Du glücklich sein mögest. Ich wünsche Dir, dass Du findest, was Du suchst. Ich bitte Dich nur, begleite mich ein kleines Stück. Halte mich an der Hand, so wie ich Deine Hand gehalten habe, wenn Du krank warst. Lass mich eine Weile Deine Nähe spüren. Und dann gehe ich. Dann lass mich los. Es wird mir gut ergehen. Ich habe keine Angst mehr.

Und vergiss niemals: Ich liebe Dich“.

8. Juni – Loslassen

Weißt du noch, wie du als Kind Fahrradfahren gelernt hast? Erinnerst du dich noch daran, wie du auf dem Rad saßest, das erste Mal ohne Stützräder. Deine Mutter oder dein Vater lief neben dir her, hielt das Rad durch einen sicheren Griff unter den Sattel stabil, rief dir zu: „Treten, treten, nicht aufhören!“

Und immer, wenn deine Mutter oder dein Vater losgelassen hat, hast du aufgehört zu treten, das Gleichgewicht verloren und bist beinahe umgefallen.

Falls es dein Vater war, der dir Fahrradfahren beigebracht hat, dann war er vielleicht ein bisschen so wie meiner, nämlich ungeduldig.

Warum lernt das Kind so etwas Einfaches wie Fahrradfahren nicht. Dauernd fällt es wieder um, und ich sag doch noch: „Nicht umfallen, nicht aufhören zu treten!“

Aber obwohl er irgendwann wütend wurde und obwohl ich es wirklich schwierig fand dieses Radfahren, nahezu unmöglich, so wollte ich es doch unbedingt lernen.

Also sah ich über meine Angst, die Wut und Ungeduld meines Vaters hinweg und versuchte es weiter – und dann, plötzlich konnte ich es.

Tat es in Wahrheit schon eine ganze Weile, weil mein Vater einfach so außer Puste war, dass er nicht mehr nebenherlaufen und dabei noch unnütze Anweisungen rufen konnte.
Er hat also einfach losgelassen, ohne dass ich es mitbekommen habe. Und als ich es dann merkte, fuhr ich zwar einen kleinen Schlenker vor Schreck, aber ich konnte doch mein Gleichgewicht halten und trat einfach weiter in die Pedale. Ich fuhr ganz allein Fahrrad!

War das großartig!