18. Februar – Sing doch

Sing doch! Die Kneipe ist brechend voll. Die Bedienung quält sich das Tablett hoch über ihrem Kopf balancierend durch die Menschenmenge. Rockmusik scheppert aus den Lautsprechern. Die Leute schreien sich an und nehmen große Schlucke von ihren Getränken.

Ein paar Mädchen haben sich bis ganz nach vorn an die Bühne geschoben und warten sehnsüchtig auf ihre Band. Und endlich. Die Jungs springen auf die Bühne und die Mädchen kreischen hysterisch.

Nur eine Frau steht da ganz vorn und lächelt still in sich hinein. Der Typ neben ihr greift ihren Arm und glotzt auf das Ziffernblatt ihrer Armbanduhr. Angestrengt versucht er, zu erkennen, wie spät es ist.

Sie fragt: „Geht’s noch?“

Der Typ sagt: „Schau mal, ist es schon nach Zwölf“.

Sie guckt selbst auf die Uhr und sagt: „Ja!“

Er lässt ihren Arm los. Voller Enthusiasmus schwenkt der Typ sein Bier über den Köpfen der Leute zum Takt der Musik. Alle grölen den Refrain mit, nur die Frau nicht.

Auch beim nächsten Lied singt sie nicht mit, obwohl alle Mädchen um sie herum wie verrückt auf und ab hüpfen, die Arme hochreißen und den Refrain mitbrüllen. Der Sänger schaut sie an und fordert sie mit einer Geste auf, ebenfalls mitzusingen. Aber sie lacht nur.

Das lässt dem Sänger keine Ruhe. Als die nächste Band spielt, sucht er die Frau. Irgendetwas in ihrem Blick, in ihrem Lachen hat ihn gereizt. Er bringt sonst jede zum Mitsingen. Was ist bloß los mit der.

Schließlich findet er sie in der Menge, stellt sich hinter sie. Sie scheint ganz versunken, tanzt, hat die Augen geschlossen. Ob er sie ansprechen soll? Normalerweise hat er das nicht nötig. Plötzlich drängt ihn einer zur Seite, fasst die Frau an der Schulter.

„Da bist Du ja“, kann er von ihren Lippen lesen, während sie den Arm um die Hüfte des anderen Mannes schlingt.