11. Januar – Das muss Liebe sein

Ich war vielleicht drei Jahre alt. Ich weiß noch, dass ich mit Mühe aber ohne Hilfe auf unsere Küchenbank klettern konnte. Es war Abend und die Sonne schien durch das Fenster. Meine Mutter saß am Küchentisch und rieb mir einen Apfel. In diesem Moment, als die Abendsonne golden durchs Fenster strahlte, noch wärmend zwar aber schon zur Nacht geneigt, und mir der säuerlich-süße Duft des Apfels in die Nase stieg, da wusste ich plötzlich, was Liebe ist. Dieses Gefühl durchströmte mich, meinen ganzen Körper und es war das erste Mal, dass ich wusste, was ich da fühlte.

20. Oktober – Gipfeltreffen der Liebe

Die romantische Liebe sei heutzutage die Grundlage der Paarbeziehungen in der westlichen Welt. Auf Hochzeitskarten, bunten Servietten und kitschigen Bildern da sehen wir häufig ein Bild von traut sich zuneigenden Schwänen, die mit ihren langen Hälsen ein Herz formen.

Schwäne – so hört man immer wieder – seien sehr treue Vögel. Gewöhnlich bleiben sie ein Leben lang beieinander. Aber manchmal frage ich mich, was eigentlich dran ist an dieser Vorstellung von Zweisamkeit.

Sind Beziehungen nicht viel häufiger wie die Begegnung zweier großer, mächtiger Eisberge, die im Meer treiben. Manche touchieren einander nur leicht. Andere ziehen derartig langsam aneinander vorbei, dass sie erscheinen wie ein großer Eisberg mit zwei aufragenden Gipfeln. Im Untergrund, bei den neun Zehnteln unter Wasser, da knirscht es, da herrscht Spannung, da werden womöglich Eisbrocken in gigantischen Ausmaßen abgesprengt, verschmolzen, verdichtet.

Ein Beobachter sieht diese Eisberge gemeinsam und sagt: „Sie gehören zueinander. Sieh doch, wie Zwillinge ragen sie auf. Nichts kann sie trennen.“ Womöglich glauben sogar die Eisberge daran, dass sie in Wahrheit ein großer Berg geworden sind.

Aber dann, vielleicht erst nach Jahren ist der Austausch im Untergrund beendet, die letzten Wunden sind geschlagen, die liebsten Eiskristalle getauscht und die Eisriesen trennen sich wieder. Jeder treibt weiter in entgegengesetzter Richtung seiner Bestimmung zu – der eine sich mit dem ewigen Eis zu vereinen, der andere im warmen Äquatorialmeer zu schmelzen.

13. September – Ihr Herz spricht

Gestatten Sie, dass ich mich vorstelle, ich bin Ihr Herz! Wahrscheinlich haben Sie sich längst daran gewöhnt, dass ich in ihrer Brust schlage. Womöglich beachten Sie mich kaum. Außer natürlich, wenn Sie sich gerade verliebt haben oder Sie verlassen worden sind. Da greifen Sie sich vielleicht an die Brust, um Ihr gebrochenes Herz zu halten oder Sie freuen sich, wie wild ich auf und ab Hüpfen kann vor lauter Liebe.

Nun ja, aber insgesamt muss ich doch feststellen. Sie kümmern sich viel zu selten um mich und darum, dass es mir gut geht. Und ich meine damit nicht solche Dinge wie Ausdauertraining und gesundes Essen. Natürlich schadet mir das nicht gerade. Aber noch viel wichtiger als womöglich lustlos aber pflichtbewusst auf dem Cardio-Trainer herumzuhampeln ist es, wenn Sie spielen, Spaß haben, herumrennen, lachen, hüpfen, knobeln, singen oder malen.

Sie glauben gar nicht wie gut mir das tut, wenn Sie sich einfach nur mal hängen lassen. Also nicht wirklich, aber so im übertragenen Sinn. Dann fließt das Blut gleich viel leichter durch Ihre Blutbahnen. Das ganze Stressige, Strenge fällt von Ihnen ab und ich schlage leicht wie eine Vogelschwinge und Sie fliegen mit mir davon in eine Welt voller Leichtigkeit und Freude.

16. Juli – Entbrannt vor Wut

Warnhinweis: Wut ist Energie und das plötzliche Freiwerden von Energie kann zu Verletzungen oder Netzüberlastungen sprich Kurzschlüssen führen.

Die Welt ist doch so, so ungerecht. Da hilft auch kein Harmoniegedüdel. Nur Augen verschließen, sich unter der Bettdecke verkriechen und die Luft anhalten, kann kurzzeitig den Zorn über diese gemeine Welt vertreiben.

Du wirst geboren in einem Körper, der Schmerzen aushalten muss.

Du musst dich durchschlagen mit „try and error“. Voll beschissen, falls du diese fiese Lernmethode überlebst, um alt genug zu sein, das andere Geschlecht zu entdecken (oder das eigene), geht es mit dem Ärger erst richtig los.

Die Person, die du am allerdollsten liebst, will von dir garantiert nichts wissen. Wenn doch dann interessieren sich noch fünf weitere Personen für dich und du entscheidest dich mit Sicherheit für die falsche.

Okay, auf kosmischer Ebene natürlich für die richtige, nämlich für die Person, die dir nach spätestens sechs Wochen sowas von gründlich auf den Wecker geht, dass du vor Wut in die Tischkante beißt oder in deinen Hintern oder in beide abwechselnd.

Denkst du jetzt: „Ha, kein Problem, der/die/das Blöde passt nicht zu mir, den/die/das schieße ich ab, dann entscheidest du dich das nächste Mal garantiert wieder für die gleiche Art Person diesmal eben als Grünauge, Blauauge, mit oder ohne Bart, was auch immer.

Solltest du dann glauben, mit Enthaltsamkeit der grauslichen Vorsehung ein Schnippchen schlagen zu können, dann wird deine beste Freundin/dein bester Freund die Aufgabe deines/deiner Liebsten übernehmen und dich ordentlich zur Weißglut treiben.

Solltest du dann auf die blöde Idee verfallen, dich in eine einsame Hütte zu verziehen, dann endlich, nachdem du ein paar Bäume verprügelt und die Rehe verflucht, nachdem du Gott, sämtliche Engel und auch den Teufel bezichtigt hast, dir ohne Unterlass auf den Geist zu gehen, da begreifst du, dass es dauernd nur du selbst bist.

Wut, Wut, Wut. Ein schönes Hobby. Jeder sollte es damit mal für eine Weile versuchen. Aber ehrlich, es tut Dir nachher leid, dass du den armen, unschuldigen Baum verprügelt hast. Vor allem wegen deiner gebrochenen Hand und den dicken blauen Flecken an den Füßen.

Aber jetzt mal ehrlich, wer kann diese Scheißharmonie schon immer ertragen? Sogar in der Natur donnert’s und blitzt es. Das muss eben mal sein. Nur, denk daran, andere nicht zu gemein zu verletzen mit deiner Wut. Wäre doch Schade drum.