28. Oktober – Schwanenpantomime

Schwanenpantomime. Schwäne machen es sich hier an der Ostsee gerne in Strandnähe gemütlich. Im flachen Wasser treiben sie dahin und gründeln. Mit einem entschlossenen Zurückwerfen ihres Kopfes lassen sie ihre Ernte den Schlund hinabrollen.

Von April bis September ist dieser Teil des Strandes für Spaziergänger gesperrt und allein den brütenden Vögeln vorbehalten. Nun im Oktober scheinen die Brutgeschäfte erledigt und wir Touristen dürfen auch hier im hellen Sand am Rand des Meeres balancieren.

Das Rauschen der See scheint mich von den übrigen Spaziergängern zu entfernen und ganz der Beobachtung der Natur zu öffnen. Ein junger Schwan, dick und mächtig aber immer noch in graues Gefieder gekleidet, schwimmt nahe am Ufer. Nicht weit von ihm entfernt ein etwa gleichgroßer, weißer Schwan. Immer wieder ins salzige Wasser abtauchend. Als ich mich dem grauen Schwan langsam aber unaufhaltsam nähere, denke ich nach über die Geschichte vom hässlichen Entlein. Ich frage mich, ob dieser minderjährige Schwan nicht recht spät dran sei, ob Schwäne nicht auch in den Süden ziehen.

Dabei beobachtete ich den Grauen, der ein wenig gelangweilt im Wasser entlang dümpelt, als plötzlich der weiße Schwan durch das Heben seines orangefarbenen Beines aus dem Wasser meine Aufmerksamkeit auf sich zieht. Er streckt es nach hinten aus, als mache er Stretching. Dann wendet er sich ganz mir zu und entfaltet für einen kurzen Augenblick seine Schwingen, breitet sie aus und streckt mir fast spielerisch in Zeitlupe den Hals entgegen. Eine Drohung nur und ich verstehe sofort.

„Wag es nicht meinem Kinde zu nahe zu kommen, sonst bekommst du es mit mir zu tun.“ Respektvoll entferne ich mich mit zügigen Schritten. Ohne es zu beabsichtigen, habe ich eine Grenze überschritten und bin mit einer wohlwollenden Ermahnung davongekommen.