29. März – In den großen Hallen von Undo

Damals in den großen Hallen von Undo gab es keine Gnade für kleine Bücklinge, Meeräschen und Seebarben. Wenn es dem Herrscher genehm war, dann ließ er sie einfach auf den Grill werfen. Nur die großen Tiere mit den spitzen Zähnen hatten Chancen sich durchzusetzen.

Als der kleine George also von seinem Kabeljau-Schwarm ausgesucht wurde, die jährliche Beschwerde in den Hallen von Undo zu Gehör zu bringen, da riefen seine Kumpel ihm zu:
„Sei ein Hai, George, sei ein Hai!“

Natürlich erwarteten sie nicht wirklich, ihn jemals wiederzusehen. Schließlich hatten sie die Boten des Vorjahres, des Vorvorjahres und der ganzen Jahre zuvor, niemals wieder gesehen.

Eine Zeit lang hatten sie immer den größten und tapfersten Fisch des Schwarms ausgesandt, aber das brachte nichts. Und seitdem sogar Otto nicht zurückgekommen war, verlegten sie sich darauf, die kleinen und unnützen Drückeberger mit Knickflosse zu schicken. George gehörte auch zu dieser Sorte entbehrlicher Fische.

Dumm war er nicht, nur klein und mickerig. Deswegen zitterte er sehr, als ihn der Ruf ereilte.
Aber er hatte natürlich keine Chance, dieser Ehre zu entgehen. Also schwamm er zögernd los und die Rufe „Sei ein Hai, George, sei ein Hai!“ geleiteten ihn.

Es war fast Nacht, als er schließlich an den Hallen von Undo ankam. Ein paar Laternenfische leuchteten und rissen ihr riesiges Maul vor ihm auf, als wollten sie ihn verschlucken.
Aber dann erkannte er, dass das nur Attrappen waren, die ihm Angst einjagen sollten. Also schwamm er mit klopfendem Herzen weiter.

„Sei ein Hai, sei ein Hai“, flüsterte er vor sich hin.

Vor ihm gab es bereits eine lange Schlange von Bittstellern. Einer nach dem anderen wurde von Wächterfischen zum Herrscher geleitet. Zur Abschreckung hingen große Fotos von Grillfischen und Fischstäbchen an der Wand, auch einige gebratene Calamares waren darunter.

Da zitterte George noch mehr.

Er überlegte: „Warum mache ich das überhaupt? Unser Schwarm hat die fähigsten Fische geschickt, keiner kam zurück. Selbst wenn irgendeiner von den Fischen jemals die Beschwerden losgeworden war, so hatte sich deshalb doch nichts geändert. Warum also sollte gerade ich Glück haben mit seiner Beschwerdeliste.“

George seufzte und warf ein paar sehnsüchtige Blicke zum Ausgang.

Sein Problem war, dass er sich einfach nicht mehr bei seinen Leuten blicken lassen konnte, wenn er nichts erreicht hatte. Wieder rückte er einen Platz vor.

Ob er doch lieber wegschwimmen sollte? Lange Zeit haderte George mit sich, aber er wagte es nicht, den Rückzug anzutreten. Innerlich hatte er ohnehin mit seinem Leben abgeschlossen.

Kurz bevor er vor den Herrscher geführt wurde, sah er Bild von Haisteaks und Schillerlocken. Da wurde ihm klar, dass auch ein Hai keine Chance hatte, hier unbeschadet herauszukommen.

Völlig aufgelöst und zitternd wurde er schließlich zum Herrscher geführt. Der warf nur einen kurzen Blick auf den kleinen George.

„Der jährliche Heringsbeschwerdebesuch?“, fragte er gelangweilt. George war wie erstarrt, schließlich nickte er.

„Okay, du kannst dich da zu deinen Kumpels gesellen.“

Mit einer knappen Bewegung wies er auf einen kleinen Schwarm Heringe in einem Raum voller Spielzeug, Fontänen und leckerstem Fischfutter. Da war Otto, da war Simon, da waren sie alle. George gingen die Augen über.

„Was, was?“, stammelte er.

Ein Wächter schob ihn zur Seite.

„Der Nächste!“