Eines Morgens wachte Frau Jeter auf und fühlte eine ungeheure Wut in sich. Einen Moment hielt sie inne und forschte, woher diese ungeheure Wut stammen könnte.
War es ihr geliebter Göttergatte, der sie so ungeheuer wütend machte? Frau Jeter rief sich ihren Ehemann ins Gedächtnis und das, was er so in den letzten Tagen, Wochen, Monaten getan oder auch nicht getan hatte. War da etwas dabei, das sie so ungeheuer wütend machte? Nein, das war es nicht.
Waren es ihre geliebten Kinder, die sie so ungeheuer wütend machten? Frau Jeter rief sich ihre Kinder ins Gedächtnis und das, was sie so in den letzten Tagen, Wochen, Monaten getan oder auch nicht getan hatten. War da etwas dabei, das sie so ungeheuer wütend machte? Nein, das war es auch nicht.
War es am Ende sie selbst, die sie so ungeheuer wütend machte? Frau Jeter rief sich selbst ins Gedächtnis und das, was sie so in den letzten Tagen, Wochen, Monaten getan oder auch nicht getan hatte. War da etwas dabei, das sie so ungeheuer wütend machte? Nein, das war es auch nicht.
Also stand Frau Jeter auf und packte in all ihrer großen Wut das Haus und warf es auf die andere Seite des Tals. Dann riss sie systematisch und sorgfältig die Bäume aus, erst die Bäume bei sich im Garten, dann die im Nahe gelegenen Wäldchen und schließlich folgte sie der Allee und zog und zerrte an den alten Platanen, bis sie auch diese alle ausgerissen hatte.
Frau Jeter war ein wenig außer Atem gekommen vor lauter Anstrengung. Sie hielt inne und horchte in sich hinein, ob diese ungeheure Wut vielleicht abgeklungen war. Aber sie wütete immer noch in ihrer Brust und so stapfte sie weiter und weiter und hinterließ eine Spur der Zerstörung auf ihrem Weg.
Schließlich kam sie am Abend an einen Baum, der war so riesig groß, dass sie ihn nicht ausreißen konnte. So sehr sie es auch versuchte. Sie legte den Kopf in den Nacken und sah, dass der Baum bis in den Himmel reichte. Da ihre Wut aber immer noch kein bisschen kleiner war, gleichgültig wie sehr sie gegen den Baum wütete, beschloss Frau Jeter, in den Himmel zu klettern und dort an den Göttern ihre Wut auszulassen. Wer, wenn nicht die Götter, hatten ihr diese ungeheure Wut gesandt?
Als die Götter hörten, dass Frau Jeter sich auf den langen Weg zu ihnen in den Himmel hinauf machte, versteckten sie sich alle bis auf eine Göttin. Die Göttin Kali, die Göttin der Zerstörung. Kali lachte, als sie Frau Jeter erblickte, die endlich oben angekommen war. Und dabei hatte die Göttin einen grausamen Zug um den Mund und ihre Augen blitzten gefährlich. Aber Frau Jeter interessierte das gar nicht. Voller ungeheurer Wut stürzte sie sich auf Kali.
Nun tobte ein langer und heftiger Kampf. Die beiden Frauen warfen sich gegenseitig durch den ganzen Himmel, donnerten die Köpfe gegeneinander und rissen sich die Haare aus. Aber keine von beiden wollte weichen und keine von beiden ließ nach in ihrer ungeheuren Raserei und Wut. Schließlich gelang es Frau Jeter, die Göttin Kali in den Schwitzkasten zu nehmen. Kali lief knallrot an und japste nur noch. Nur noch ein kleines bisschen mehr Kraftaufwand und der starke Hals der Göttin wäre gebrochen.
Da fühlte Frau Jeter plötzlich, wie die ungeheure Wut in ihr ein klein wenig nachließ. Frau Jeter stieß einen Seufzer der Erleichterung aus und gewährte Kali ein klein wenig mehr Spielraum, so dass die Göttin wieder zu Atem kam. Frau Jeters ungeheure Wut ließ noch ein wenig mehr nach. Und sie fand, dass sie eine Stimme hatte, und sagte zu der Göttin: „Wenn du friedlich bleibst, lass ich dich los.“ Kali stimmte durch ein mattes Kopfnicken zu. Frau Jeter gab Kali frei. Eine ganze Weile lag die Göttin immer noch zitternd und keuchend am Boden. Schließlich richtete sie sich auf.
„Noch niemals hat mich eine Sterbliche bezwungen“, stieß sie hervor. Frau Jeter zuckte nur mit den Achseln. „Aus diesem Grunde gewähre ich dir einen Wunsch!“, fuhr die Göttin fort, „meine Bedingung ist, dass du hier verschwindest und niemandem erzählst, dass du mich besiegt hast.“ Frau Jeter überlegte einen Augenblick. Dann nickte sie. Ihr Wunsch formte sich in ihrem Herzen und die Göttin begann froh zu lachen, als sie mit einer kleinen Handbewegung Frau Jeters Wunsch zur Erfüllung brachte.
Ohne Zögern brach Frau Jeter auf. Nur ein leises Kopfnicken reichte zum Abschied. Immer noch voller Energie kletterte sie den hohen Baum hinab bis auf die Erde. Dort kehrte sie den langen Weg zurück, den sie gekommen war. Aber überall, wo sie einen Baum ausgerissen hatte, pflanzte sie einen neuen. Und überall, wo sie eine Spur der Zerstörung hinterlassen hatte, hinterließ sie nun einen Pfad des Wachsens und Gedeihens.
Fast am Ende ihres Weges klaubte Frau Jeter ihr Haus von der falschen Talseite und warf es mit einer geschickten Bewegung so wieder auf seinen Platz, dass es plötzlich viel größer und schöner dort stand. Auch ihren Garten ließ sie neu erblühen und er war noch niemals so schön und lebendig gewesen.
Die ungeheure Wut verließ Frau Jeter seither niemals ganz. Sie hatte dank der Göttin Kali nur die Gabe erhalten, diese große und mächtige Energie zum Schaffen zu nutzen und nicht zum Zerstören.