12. Juni – Der Zwerg

Es war einmal ein Zwerg, der wohnte im Land der Riesen. Dort fühlte er sich immer klein, unnütz und hässlich. Die Riesen verspotteten ihn und machten Weitwurf mit ihm oder steckten ihn in eine Showkanone und schossen ihn damit in einen Riesendunghaufen. Es war ein elendes Leben.

Und der Zwerg jammerte und haderte: „Es ist ja so gemein, was diese Riesen mir antun“. Jeden Tag betete er: „Lieber Gott, rette mich aus dieser gräßlichen Lage!“

Eines Tages hatte Gott ein einsehen. Er nahm den Zwerg und setzte ihn in die Welt der Zwerge. Plötzlich war der Zwerg nichts Besonderes mehr, er war nicht größer, nicht kleiner, nicht schöner, nicht hässlicher als all die anderen Zwerge um ihn herum.

Da begann er sich zu fürchten. Wo waren die Beschimpfungen und Demütigungen, wo die Kanonenschüsse und Weitwürfe geblieben? Welchen Sinn hatte sein Leben jetzt noch?

Also heuerte der Zwerg bei einem Zirkus an, der Zwergenweitwurf zeigte, Zwerge mit Kanonen in Dunghaufen schoss und alberne Zwergenclowns über sich selbst lustig machen ließ. Aber im Zwergenland wollte keiner diesen merkwürdigen Zirkus sehen.

So kehrte der Zwerg in dem Zirkus zu den Riesen zurück und führte nun freiwillig die Nummern auf, mit denen er damals gedemütigt wurde. Aber eines Abends trat er vor seinen Wohnwagen und schaute hinauf zu den Sternen.

Da wurde ihm klar, dass er endlich wachsen musste. So ließ er den Zirkus hinter sich und kehrte nie wieder ins Land der Riesen und Zwerge zurück.