31. März – Antonio Fatalusi

„Guten Tag, mein Name ist Antonio Fatalusi“, sage ich und langweile mich unsäglich dabei. Den ganzen Tag kommt ein Call nach dem anderen rein und ich höre mir die immer gleichen Geschichten an.

„Wo bleibt mein Paket, ich brauche es dringend, es ist ein Geburtstagsgeschenk, mein neues Mobiltelefon, mein Receiver, meine Schuhe,…“ oder „Der Zusteller hat nicht geklingelt, ich war den ganzen Tag zu Hause und jetzt finde ich eine Benachrichtigungskarte im Briefkasten, dass ich die Sendung MORGEN in der Filiale abholen kann, ich brauche das Paket aber HEUTE.“

Und ich gebe die immer gleichen Antworten: „Das tut mir leid, ich nehme eine Laufzeitbeschwerde für Sie auf“ oder „Entschuldigen Sie bitte, so sollte der Zusteller nicht arbeiten, ich werde eine Beschwerde aufnehmen, die an dessen Vorgesetzten weitergeleitet wird.“

Dann diskutieren die Leute meistens mit mir und ich stelle sie mit den immer gleichen Phrasen zufrieden oder auch nicht. Die Hauptsache ist, sie legen schnell wieder auf, denn unsere Durchschnittszeit soll nicht länger als zwei Minuten zwanzig Sekunden dauern. Mehr als sechs Wochen mache ich nun diesen Job und wenn ich mich nicht gerade unsäglich gelangweilt fühle, amüsiere ich mich über die Ironie meiner Lage.

Hier in diesem Call Center ist alles auf ‚Geheimdienst‘ getrimmt. Die Mitarbeiter am Telefon heißen Call Agent. Da ich erst sechs Wochen dabei bin, bin ich ein Junior Agent, meine direkten Vorgesetzten sind die Senior Agents. Es gibt einen Helpdesk und ein Back Office und Special Agents für Premiumkunden.

Lustigerweise bin ich wirklich Geheimpolizist und mein Vorgesetzter, der einfach nur ‚Chef‘ heißt bei uns, hat mir diesen Undercover-Einsatz verschafft, nun ich sollte wohl lieber sagen, aufs Auge gedrückt. Angeblich würden hier in diesem Call Center Aufträge des organisierten Verbrechens telefonisch weitervermittelt, natürlich in einer kodierten Sprache. Aber ich glaube langsam, dass uns da irgendjemand einen Bären aufgebunden hat und die Leute tatsächlich nur wegen langweiliger Pakete anrufen und damit nicht irgendwelche ‚Pakete‘ gemeint sind, also eine Fuhre Drogen, Waffen, Zwangsprostituierte oder Geld aus solch kriminellen Geschäften für die große Wäsche. Und falls es doch solche Anrufe gibt, dann landen die jedenfalls nicht bei mir.

Mein Chef sagt mir: „Hab‘ Geduld Antonio, stell dich vernünftig an, mach‘ dich unentbehrlich, überzeuge sie davon, dass man dir vertrauen kann, finde heraus, wie diese ganze Sache läuft und ich vergesse, wie dumm du dich bei deinem letzten Einsatz angestellt hast.“

Nun ja, das ist der Haken, mein letzter Einsatz. Den habe ich total versemmelt. Ziemlich peinliche Angelegenheit, an die ich mich ungern erinnere.