Alles umsonst hieß das Thema des Schreib-Wettbewerbs, für den dieser Text entstanden ist. Es geht um Depression und Suizidgedanken – Triggerwarnung
Im Gegensatz zu den Gedanken in meinem Kopf rattern Züge nicht mehr, stattdessen gleiten sie pfeilschnell und nahezu geräuschlos dahin. Die Schaffner heißen Zugbegleiter und sind für den Service am Kunden zuständig.
Im TGV nach Quimper würde ich nach den allerneuesten und besten Standards des Schienenfernverkehrs ohne Rattern, ohne Zugluft und liebevoll umsorgt von leise sprechendem Servicepersonal reisen, das mich darauf aufmerksam machte, dass ich meine Beine doch bitte nicht in den Gang strecken solle, sondern hinter dem Sitz meines Vordermannes verstauen.
Heute findet ihr im Klosteratelier die Kurzgeschichte „Der Laden“. Sie entstand nach meinem Besuch in einem alten Hutgeschäft in Hofgeismar, das wegen Aufgabe geschlossen werden sollte. Die Begegnung mit dem alten, gebeugten Inhaber hat mich zu dieser Erzählung inspiriert.
Er dreht den Schlüssel herum, nachdem er ein letztes Mal das Licht gelöscht hat. Die Regale sind ausgeräumt. Stille senkt sich über den Raum. Die Verkaufstresen ragen wie Mahnmale aus verschlissenem Boden. Dessen Muster kann er seit Jahren nicht erkennen. Er weiß selbst nicht, haben seine Augen ihre Kraft verloren oder sind die Farben einfach nur verblasst, wie nach und nach seine Waren verblasst sind. Die karierten Herrenhüte, die Damenhüte aus Filz und Strick, die edlen Nerzkappen und Zobelmützen.
Vor langer Zeit hat ihn der Laden verschluckt. Da meinte er es noch gut mit ihm. Damals schimmerte die Zukunft rosig. Das schwere, dunkle Eichenfurnier der Einrichtung und die farblich abgestimmte Wandvertäfelung waren der letzte Schrei. Der gewebte Teppich prangte in Gold und Rubin auf tiefem Grund. Seine Frau stand an seiner Seite. Besitzerstolz erfüllte ihn. Endlich ging es aufwärts. Die Kriegsjahre, die Hungerjahre waren vorbei. Die Lehrjahre, die Gesellenjahre hatten sich ausgezahlt. Jetzt brauchten die Leute stolze Hüte, die ihnen sagten: „Du bist wieder wer“. Sie dürsteten nach Pelzkappen, die ihnen zuraunten: „Du wirst niemals wieder frieren“, und nach mondänen Strohhüten – groß wie Wagenräder, die ihnen einredeten: „Du bist tausendmal schöner als deine Nachbarin.“
Klosteratelier Ruth Schilling präsentiert dir heute „Kennst du den Beat“ einen Beitrag zum Poetry Slam, die zornige Hymne einer Frau auf ihrer Nachtmeerfahrt zum Thema Individualität zeigen und Leben. Viel Vergnügen beim Lesen oder Anhören!
Kennst du den Beat, den dein Herz schlägt? Kennst du den Beat, der deine Bestimmung trägt? Kennst du den Beat, der durch deine Adern rollt? Kennst du den Beat, der über alle Grenzen tollt?
Oder bist du leise, einsam, verzagt Jemand, der wirklich gar nichts mehr wagt Vernimmst deinen Rhythmus nur noch verhalten Hängst und klammerst wimmernd am alten Takt, den dir andere einst vorgegeben, erfüllst deine Pflicht und verpasst dein Leben.