Familienfeier. Die ganze Familie sitzt um den Tisch. Die Kinder mit ihren Ehepartnern und Kindern, die Onkel und Tanten. Und am Kopfende thront der Vater, der Älteste der ganzen Sippschaft.
Mit mildem Blick schaut er auf das Gewimmel vor ihm. Er sieht die Menschen nur noch undeutlich. Gut, dass er sie so lange schon kennt und deshalb auch an den Umrissen und Stimmen erkennt. Gerade erzählt sein Schwiegersohn eine lustige Geschichte. So ganz genau versteht er nicht, worum es eigentlich geht. Denn mit dem Hören ist es bei ihm auch nicht mehr so weit her. Ein paar Brocken schnappt er auf und dann in einer kurzen Pause, nachdem alle gelacht haben, gibt er selbst eine Geschichte zum Besten.
Er merkt nicht, dass die anderen am Tisch nur müde lächeln, sich unter dem Tisch anstoßen und vielsagende Blicke zuwerfen. Wieder die alte Geschichte, murmeln sie. So oft haben sie die schon gehört. Ist ja schön so ein biblisches Alter zu erreichen, aber wenn man dann so festgefahren ist. Na, so ist das eben, wenn die Sinne nachlassen und nur noch das Langzeitgedächtnis gefragt ist.
Was erlebt so ein Opa denn noch, was er erzählen könnte? Die Tage gleichen sich wie ein Ei dem anderen. Und er merkt es ja nicht. Bald ist es vorbei, dann sind die Feierstunden abgeleistet, die Familie reist wieder ab und der alte Vater wird seinen eintönigen, einsamen Tagen lauschen. Kein Wunder, dass die Vergangenheit ihm näher ist.