28. Januar – Auf dem Weg in die Bretagne

Auf dem Weg in die Bretagne nahm ich den Thalys von Hamm über Köln zum Gare du Nord in Paris. Ich hatte einen kleinen Rucksack dabei, schließlich wollte ich nur eine knappe Woche bleiben. Die Zugfahrkarten hatten ein Vermögen gekostet. Aber mir war jeder Preis Recht, um möglichst weit fort von meinem damaligen Leben irgendwo ans Meer zu kommen.

Also hatte ich mir eine Bahncard gekauft und den immer noch horrenden, ermäßigten Fahrpreis beglichen. Hin- und Rückfahrt. Ich hatte nicht vor zu bleiben. Nur Durchatmen wollte ich. Am Gare du Nord musste ich umsteigen in die U-Bahn nach Montparnasse. Normalerweise gab es dort Fahrkartenautomaten. Aber an diesem Tag waren die Automaten ausgefallen, überall zeugten Schmutz, halbdurchsichtige Planen und Absperrband von Bauarbeiten. Fahrkarten gab es nur an einem schäbigen Schalter, die Schlange davor war unglaublich lang und schob sich nur im Schneckentempo vorwärts.

Nach kurzer Zeit war mir klar, dass ich niemals den TGV erreichen würde, für den ich eine Reservierung hatte. Schließlich war ich bis zum Fahrkartenverkäufer vorgerückt, reichte meine Münzen hin und erhielt ein „Billet“. Aber als ich zu den Drehkreuzen kam, waren die längst von den Bauarbeitern abgeschaltet. Jeder konnte auch ohne Karte passieren.

Durch endlose, deckenhoch gekachelte Gänge ging es zum richtigen Fahrsteig. Schließlich hatte ich mich in einen Waggon gezwängt, blieb stehen, hielt mich an einer Haltestange fest und schaute mich um. Ich war die größte im Abteil, sogar die Männer waren kleiner als ich. In Deutschland gehöre ich zu den kleinen Personen. Mit meiner blonden Kurzhaarfrisur, dem üppigen Busen und reichlich Übergewicht kam ich mir neben den kleinen zarten Franzosen, Algeriern und Tunesiern wie eine waschechte Walküre vor.

Plötzlich war ich die einzige Fremdartige im ganzen U-Bahn-Waggon. Alle anderen gehörten hierher, fuhren wahrscheinlich jeden Tag diese Strecke, wünschten sich bereits, zu Hause zu sein, an der Arbeit oder wo auch immer sie gerade hin unterwegs waren.

In Montparnasse stand ich dann wieder an, am Fahrkartenschalter, um meine Reservierung umzutauschen. Aus irgendeinem Grunde war eine Frau, die hinter mir in der Schlange stand der Meinung, ich könnte der Landessprache mächtig sein und fragte mich etwas. Die Worte perlten aber so schnell aus ihrem Mund, dass mein Schulfranzösisch längst nicht ausreichte, daraus einen verständlichen Satz zu filtern.

Ich zuckte nur entschuldigend mit den Schultern und sagte: „Ich bin Deutsche“. Das verwirrte die Frau zwar, aber sie plapperte immer noch weiter. Erst als ich entschuldigend die Schultern hob und mit dem Kopf schüttelte, wandte sie sich schließlich jemandem anderen zu. Der Mann am Fahrkartenschalter war Menschen ohne Französischkenntnisse gewöhnt und wir verstanden uns fast auf Anhieb. Schließlich hatte ich die Reservierung für den nächsten TGV und musste mich nur noch auf eine Stunde Aufenthalt einrichten. Den Bahnhof zu verlassen erschien mir zu riskant, also setze ich mich in ein Café und beobachtete die Leute.