Martina hatte die Ruhe vor dem Sturm schon häufig kennengelernt. Wenn sich alles zusammenballte, die Luft elektrisch aufgeladen, der Himmel grau und bleiern, die Kleidung am Leib klebte. Dann senkte sie sich nieder, die Ruhe.
Kurz bevor ein schwaches Lüftchen zaghaft den tosenden Sturm ankündigte, war es einen Augenblick still. Die Welt hielt den Atem an. Die Vögel schwiegen. Die Hasen streckten die Löffel. Sogar die Ameisen hörten auf zu krabbeln.
Und dann ganz leise, das Wehen, das Rauschen in den Bäumen, der anwachsende Wind. Peitscht das Gras. Beugt die hohe Birke an der Weggabelung. Wasser stürzt aus dem Himmel. Die Urgewalt – so wild und schön. Befreiung! Lachen! Die Arme heben und tanzen! Freudenschreie verschluckt vom Tosen des Sturms, vom Klatschen der Wassertropfen auf Stein.
Natürlich Furcht! Ein Baum kann stürzen, ein Dachziegel fallen, der Blitz treffen. Trotzdem – Tollkühnheit und Glück mitten im Sturm.
Aber heute, da zögerte Martina. Die Angst vor diesem Sturm war groß. Sie konnte doch nicht allen den lang ersehnten Tag verderben. Und war die Ruhe, die Ruhe vor dem Sturm nicht köstlich auf ihre Art? Ja, das war sie. Sie sah ihn kommen – unausweichlich. Aber vielleicht konnte er warten, ein bisschen, nur noch bis übermorgen, der Sturm.
Und danach? Oh je, es wird nichts mehr sein, wie es einmal war.
Hoffentlich ist danach nichts mehr, wie es einmal war.