30. Dezember – Wieder die ollen Geister

In dieser Zeit zwischen den Jahren, zwischen Heiligabend und Dreikönigstag, da kommen sie aus ihren Ecken, die ollen Geister der Vergangenheit. Manche gähnend und sich am Kopf kratzend. Wieso sollen sie jetzt schon wieder? Auch ein oller Geist hätte ja gerne mal seine Ruhe.

Aber so ist das eben, zwischen den Jahren, in den Raunächten, vor allem bei Neumond, da besteht Anwesenheitspflicht. Also schleppen sich die Geister aus den Ritzen der Dielenbretter, schlüpfen durch die Gipslöcher aus den Wänden, schweben ganz langsam durch die Dunstabzugshaube in die Küche.

Plötzlich sinkt die Raumtemperatur um 3 bis 4 Grad. Staub und vergessene Gerüche schweben durch das Haus. Es knackt und knorzt im Gebälk. Die Menschen schütteln sich und sagen Dinge wie: „Ist aber kalt heute!“ Dann drehen sie die Heizung etwas weiter auf oder legen noch einen Scheit Holz ins Feuer.

Katzen können die Geister sehen. Die alten Kater lassen sich gar nicht weiter stören. Aber junge Katzen springen die Wände hinauf, versuchen, diesen Hauch von nichts zu fangen. Natürlich gelingt es ihnen nicht. Die ollen Geister streifen durchs Haus, legen sich probeweise aufs Sofa, inspizieren den Backofen und die unaufgeräumten Schubladen. Manchmal bringen sie die noch ein bisschen mehr durcheinander.

Die meisten Menschen haben kein Empfinden für sie. Sie wischen nur ein bisschen mehr Staub fort als sonst. Das komme von der trockenen Heizungsluft, sagen sie dann. Aber einige, wenige Menschen sprechen mit den Geistern in ihren Träumen, betrachten mit ihnen die Sterne und schauen zu, wie der Atem dabei gefriert in der dunklen, klaren Nacht. Wenn die Schatten flüstern.