9. September – Kehraus

Sybille öffnete ihren Kleiderschrank zum großen Kehraus und erschauerte vor den Bergen von schlecht zusammengelegten T-Shirts, Pullovern und Hosen. Wenigstens die Blusen und Jacken hingen einigermaßen in Reih‘ und Glied.
Unterwäsche, Socken, Reizwäsche, halterlose Strümpfe, Strumpfhosen, Stocks lagen kreuz und quer in drei Schubladen. Sie hasste den ganzen Kram. Das war ihr plötzlich klar. In Wahrheit hatte dort nichts die richtige Farbe.

Was um Himmels willen wollte sie mit einem knallroten Abendkleid mit Pailletten? Und was sollten diese schwarzen, grauen, granitfarbenen Hosenanzüge aus Polyester, mal mit mal ohne Nadelstreifen? Weiße Blusen mit Schillerkragen, mit Rundkragen, mit Spitzkragen, mit Rüschen.

Sie fing an auszusortieren. Aber dann besann sie sich. Sorgsam abwägend suchte sie ihre Lieblingskleidungsstücke aus dem Schrank heraus und legte sie aufs Bett. Als sie sicher war, alles gefunden zu haben, stopfte sie alles andere, was noch im Schrank lag oder hing, in zwei große Müllsäcke, knotete sie zu und fuhr zum Altkleidercontainer.

Nur mit großer Mühe schaffte sie es, die schweren Säcke in die Container zu hieven und durch den engen Einfallschlitz zu bugsieren. Als es ihr endlich gelang, klatschte sie in die Hände und fuhr eilig nach Hause. Als Nächstes war der Schuhschrank dran und dann der Geschirrschrank und dann der Bücherschrank. Oh, wie schön, endlich fort mit all dem Ballast. Sybille jubelte und fühlte sich unsagbar frei.