18. Dezember – Ohne Angst

Wer ohne Angst ist, werfe den ersten Stein. Es gibt sie diese Menschen, die durch die Dunkelheit laufen, unempfindlich für die Monster, die hinter jedem Busch lauern könnten. Sie wissen nicht, dass hinter Schranktüren und unter Betten, Ungeheuer auf sie warten. Aber selbst diese Menschen spüren einen kleinen Angstkitzel, wenn sie in einen tiefen, tiefen Abgrund sehen oder der Zahnarzt mit seinem Bohrer auf sie wartet.

Überhaupt, der Umgang mit der Angst. Die wohlgemeinten Schubser in den Rücken. Nun los, mach schon, hab keine Angst. Trau dich, zier dich nicht. Es wird schon alles gut gehen. In der Tat, es geht auch meistens gut. Wenn nicht, dann zieren ein paar Schrammen oder blaue Flecke deine Knie und Ellenbogen. Was ist so schlimm daran? Manchmal selbstverständlich bleiben nur Narben auf deiner Seele zurück. Kleine Knubbel, die dich daran erinnern, dass Angst manchmal auch berechtigt sein kann und es besser ist, bestimmten Menschen aus dem Wege zu gehen.

Angst verdrängen und leugnen funktioniert eine Zeit lang. Nur geschieht dann etwas Merkwürdiges, die staut sich auf, ballt sich zusammen und fängt dann an dir im Dunkel aufzulauern. Also will Angst durchlebt und überwunden werden, transformiert und aufgelöst in Wohlgefallen. Sowieso ist Angst hauptsächlich nützlich. Schließlich hilft sie uns, alles zu mobilisieren, um einer gefährlichen Situation zu entrinnen.

Was aber geschieht, wenn du einer gefährlichen Situation jahrelang ausgesetzt bist und nicht fliehen kannst. Äußerlich nicht fliehen kannst? Dann machst du dich bereit innerlich den Rückzug anzutreten. Irgendwo findest du eine Kammer, wo du das, was du für deinen Kern hältst, sicher verstaust. So sicher, dass du später, in besseren Tagen sehr schwer danach graben musst. Ganze Förderanlagen mögen nötig sein, um diesen wichtigen Kern zu finden. Aber siehe da, auch das hatte seinen Sinn. Aus dem kleinen bisschen Kohlenstoff ist ein Diamant geworden. Roh noch und ungeschliffen, aber bereit zu glitzern und zu funkeln.

17. Dezember – Wintersonne

Gibt es etwas Schöneres, als die Wintersonne auf der blassen Haut zu spüren? Wenn die Sonne ganz flach über dem Horizont wandert, meistens von Wolken oder sich ballendem Dunst und Nebel verschleiert. Nur wenige Stunden des Tages überhaupt am Himmel zu sehen.

Und dann reißt der Himmel auf, die Wolkendecke hat ein erbarmen und lässt sich vom Wind dort oben auseinandertreiben. Dann bleibt nur noch: Die Arme hochwerfen, die Augen schließen und Sonne einatmen, das lässt dich den Schmutz und Regen, die Kälte und langanhaltende Dunkelheit einen Augenblick völlig vergessen.

Ist doch klar, dass einige unserer Vorfahren die Sonne angebetet haben. Nur ein Stern weit draußen, sich selbst verzehrend und verbrennend. Nur durch Zufall unsere Welt mit genau der richtigen Menge an Energie versorgend, dass alles wächst und gedeiht. Spürst du die Sonnenenergie in deinen Zellen? Sie vibrieren vor Freude in der Wärme der Wintersonne.

16. Dezember – Benjamin, der Bär

Benjamin, der Bär, wird müde. Die Tage werden immer kürzer, die Temperaturen immer niedriger. Die Bienen sind lange schon eingeschlafen.

Grünes gibt es kaum noch. Höchstens Tannen- und Fichtennadeln, aber die piksen so. Also macht sich Benjamin, der Bär, sein Winterbett. Tief in seiner Höhle gibt es eine Kuhle, in die er sich ganz prima einrollen kann. Dort hat er Moos hingetragen für die Polsterung.
Einen letzten Blick wirft er auf die Welt dort draußen. Diesig ist es. Den Horizont kann er kaum erkennen. Sein Atem gefriert. Und die Vögel sitzen zitternd in den Bäumen, haben sich aufgeplustert, sehen aus wie kleine Bälle mit Füßen dran.

Benjamin, der Bär, kratzt sich am Kopf und dann an der Nase. Ach es wird einfach Zeit, ins Bett zu gehen und zu träumen von silberhellen Vogelstimmen, von sprießendem Grün, leckerem Honig und kleinen zappelnden Käferlarven – einer Delikatesse. Benjamin gähnt. Er dreht dem ungemütlichen Winterwetter den Rücken und trottet zu seinem Lager.

Genüsslich streckt er sich aus, dreht sich nach rechts, dreht sich nach links, bis er die beste Position gefunden hat. Dann legt er seine Pfote über die Nase. Alles riecht nur nach ihm. Nichts und niemand wird ihn stören. Er schließt die Augen und träumt sich in den Frühling.

15. Dezember – Voodoo-Methoden bei Liebeskummer

Wenn du so richtig fies Liebeskummer hast, weil dein Freund eine andere bevorzugt oder einen anderen, dann kannst du natürlich das Übliche tun:

Dich bei deinen Freundinnen ausheulen, ihn aus allen gemeinsamen Fotos rausschneiden, ihm abends auflauern und anflehen, zu dir zurückzukommen, sein Auto beschädigen, seinen Chef anrufen und üble Nachrede betreiben, dich bei seiner Mutter ausheulen, dich bis zur Besinnungslosigkeit betrinken oder irgendetwas anderes in der Art.

Du kannst aber auch eine unübliche Methode ergreifen. So eine Art Voodoo-Methode. Und damit meine ich jetzt nicht so einen Mist wie sich eine Locke von ihm besorgen, die an eine kleine Knetpuppe kleben und diese dann mit Nadeln durchbohren.

Nein, nein. Eine viel intelligentere Voodoo-Methode ist die folgende: Nimm ein Bild von deinem Ex-Freund, setze dich ihm gegenüber und wünsche ihm alles Gute. Sprich mit ihm, erzähle ihm ruhig, dass du enttäuscht und unglücklich bist. Aber sag ihm auch, dass du ihm alles Glück dieser Welt wünschst. Wenn er das nur ohne dich erlangen kann, dann ist das auch in Ordnung.

Ich weiß, das klingt komplett verrückt. Und das kostet sicherlich auch viel Überwindung. Vielleicht musst du es einige Male üben, bis es sich nicht mehr total „unecht“ anfühlt, deinem Ex alles Gute zu wünschen. Aber nach einer Weile wird es vor allem für dich selbst heilsam sein. Und darum geht es doch. Oder?

14. Dezember – Familienfeier

Familienfeier. Die ganze Familie sitzt um den Tisch. Die Kinder mit ihren Ehepartnern und Kindern, die Onkel und Tanten. Und am Kopfende thront der Vater, der Älteste der ganzen Sippschaft.

Mit mildem Blick schaut er auf das Gewimmel vor ihm. Er sieht die Menschen nur noch undeutlich. Gut, dass er sie so lange schon kennt und deshalb auch an den Umrissen und Stimmen erkennt. Gerade erzählt sein Schwiegersohn eine lustige Geschichte. So ganz genau versteht er nicht, worum es eigentlich geht. Denn mit dem Hören ist es bei ihm auch nicht mehr so weit her. Ein paar Brocken schnappt er auf und dann in einer kurzen Pause, nachdem alle gelacht haben, gibt er selbst eine Geschichte zum Besten.

Er merkt nicht, dass die anderen am Tisch nur müde lächeln, sich unter dem Tisch anstoßen und vielsagende Blicke zuwerfen. Wieder die alte Geschichte, murmeln sie. So oft haben sie die schon gehört. Ist ja schön so ein biblisches Alter zu erreichen, aber wenn man dann so festgefahren ist. Na, so ist das eben, wenn die Sinne nachlassen und nur noch das Langzeitgedächtnis gefragt ist.

Was erlebt so ein Opa denn noch, was er erzählen könnte? Die Tage gleichen sich wie ein Ei dem anderen. Und er merkt es ja nicht. Bald ist es vorbei, dann sind die Feierstunden abgeleistet, die Familie reist wieder ab und der alte Vater wird seinen eintönigen, einsamen Tagen lauschen. Kein Wunder, dass die Vergangenheit ihm näher ist.

13. Dezember – Geduld

Geduld ist nicht meine Stärke. Andere Menschen haben meistens kein Problem zu warten. Aber mir geht es oft zu langsam voran. So ist für mich vieles im Leben eine Geduldsprobe.
Wenn ich beim Arzt im Wartezimmer sitze, wenn ich bei stockendem Verkehr auf der Autobahn unterwegs bin. Dabei geht es gar nicht darum, dass ich unbedingt rasen möchte, nein, ich möchte nur gerne ohne große Behinderung das Tempo fahren, das mir gerade angemessen erscheint. Wenn ich beim Arzt warte, dann stört es mich nicht wirklich, herumzusitzen und in einer Zeitschrift zu blättern oder den anderen Leuten im Wartezimmer bei der Schilderung ihrer Krankheitsgeschichten zu lauschen. Das kann sogar spannend sein, unterhaltsam oder lehrreich.

Wenn es irgendwo nicht vorangeht, habe ich immer das Gefühl, ich vertue meine Zeit. Schließlich könnte ich etwas Nützliches tun. Arbeiten zum Beispiel. Warten ist auf der Nützlichkeitsskala meiner Tätigkeiten jedenfalls ganz unten. Vor allem weil das tatsächliche Ereignis, auf das ich so lange warten muss, meistens rasend schnell vorbeigeht.

Zwei Stunden im Wartezimmer, zwei Minuten Unterhaltung im Sprechzimmer. Zwei Stunden im Stau, zwei Minuten freie Fahrt bis zur nächsten Abfahrt. Ach ja, ich weiß ja, das ist alles nur Einstellungssache. Wer im Hier und Jetzt lebt, der wartet niemals, der sehnt sich auch nicht nach Ereignissen, die in der Zukunft womöglich geschehen werden. Wer im Hier und Jetzt lebt, der genießt jeden Augenblick seines Lebens, nimmt ihn achtsam wahr und lässt ihn ziehen.

Leider bin ich noch nicht so weit das so zu leben. Irgendwie erscheint mir das Warten durch achtsames Wahrnehmen nur noch bewusster und langweiliger. Aber andererseits gewinne ich durch das Wahrnehmen der Unerträglichkeit auch die Möglichkeit etwas zu unternehmen, um in Zukunft nicht mehr so lange warten zu müssen. Schließlich könnte ich den Arzt wechseln oder es überhaupt unterlassen, einen Arzt aufzusuchen. Ich könnte mich beschweren oder Privatzahler mit Anspruch auf Sonderbehandlung werden. Und das alles nur, weil ich so ungeduldig bin?

12. Dezember – Was klopft denn da?

Was klopft denn da? Zwischen Baum und Borke ist ja strenggenommen kein Platz. Dennoch höre ich es dort klopfen. Pock, pock, pock, pock klingt es aus dem Baum, manchmal auch krch, krch, krch.

Was dort so eifrig klopft und schabt, weiß ich nicht. Keine Ahnung. Ein wenig beunruhigend kommt mir das sogar vor. Überall so krabbelige Insekten. Müssen die dann auch noch so einen Lärm machen?

Ich meine, welche Geräuschkulisse wäre das wohl, wenn wir die Milben in unseren Teppichen und Betten hören könnten? Wahrscheinlich klänge das wie New York, Tokio, Singapur und Bombay zusammen. Zum Glück kann ich die Milben nicht hören. Es genügt mir bereits, dass ich vom feinen Staub ihrer Exkremente niesen muss.

Nun klopft es aus dem Baum. Es klopft ausdauernd und unverdrossen. Natürlich könnte ich hingehen und dort, wo es klopft, ein kleines Loch in die Rinde pulen. Ich könnte sehen, wer da solch einen Lärm veranstaltet, wer da unbedingt heraus will. Aber mich hält eine Überlegung davon ab, die ich seit einiger Zeit öfter anstellen musste. Vielleicht störe ich das Wesen durch mein gutgemeintes Eingreifen empfindlich und am Ende töte ich es womöglich sogar damit.

Wer von uns hat noch nicht von den unglücklichen Lottomillionären gehört, die der plötzliche Reichtum ins Unglück gestürzt hat. Oder was ist mit den unzähligen Menschen, die sich nach Freiheit sehnen, aber schlotternd und heulend zusammenbrechen, sobald sie plötzlich und unerwartet befreit sind.

Also klopfe ich nur ganz vorsichtig zurück. „Du bist auf dem richtigen Weg“, flüstere ich. „Du schaffst das.“ Einen Augenblick hält das auf der anderen Seite inne und lauscht. Dann klopft und schabt es unverdrossen weiter. Ich halte mich heraus. Verschränke die Hände hinter dem Rücken und gehe weiter meinen Weg entlang.

11. Dezember – Geistschreiber

Leihe dir die Köpfe anderer Leute, werde ihr Geist und schreibe für sie, was sie nicht können oder wollen. Vielleicht fehlt ihnen die Geduld oder die Wortgewalt oder der Abstand zum eigenen Denken.

Also holt sich der Leib-Erleber einen Geistschreiber, um seine Leiberlebnisse aufschreiben zu lassen. Sie sollen aber nicht nur in Worte gekleidet werden, nein, sie sollen hübsch aufgereiht in Ordnung gebracht werden, das Interessante hervorgehoben, das Uninteressante fallen gelassen werden. Manche bevorzugen Wörter mit Rüschen und Schleifen, andere stehen mehr auf markige Brachialsprache eines Machers.

Jeder bekommt vom Geistschreiber das Kleidchen angedichtet, das ihm passt. Und liest sich dann selbst im Spiegel seines fleißigen Geistleins, völlig überrascht, zu welch einem wunderschönen, spannenden, einzigartigen Leben und Reden und Werden und Sein so ein Leib-Erleber doch fähig ist.

10. Dezember – Lebensgefühl

Steigern Sie Ihr Lebensgefühl! Was soll das eigentlich heißen? Wechseln sich die Gefühle des Lebens nicht einfach ab?

Mal fühlt es sich gut an, am Leben zu sein, manchmal schlecht, meistens so lala. Also eher lauwarm. Ich meine, wer fühlt sich denn andauernd wie im siebten Himmel? Und ist das überhaupt erstrebenswert? Warum soll ich mein Lebensgefühl überhaupt steigern? Gab es da nicht mal so Ideen von der goldenen Mitte, dem Mittelweg, dem Ausgleich der Temperamente.

Und würde dann nicht auch das Lebensgefühl lieber ausgeglichen als gesteigert werden. Ich könnte das Lebensgefühl ja mal fragen. Nur ist das doch sicher wieder bei jedem anders.

Der eine sagt, ich wäre ja schon froh, wenn der Schmerz nachlässt. Der andere sagt, ich kann diese ständige gute Laune kaum noch aushalten. Der dritte wiederum freut sich und lacht und trinkt noch einen. Alle drei befinden sich vielleicht gerade auf einer Karnevalsveranstaltung oder auf einer Mitarbeiterversammlung oder auf einer Trauerfeier.

Jedes Mal würden doch die Aussagen ein völlig neues Licht auf das Lebensgefühl des Einzelnen werfen. Jedenfalls mag ich mein Lebensgefühl nicht steigern, schon gar nicht, indem ich irgendeinen teuren Mist konsumiere. Viel lieber möchte ich mein Lebensgefühl verbreitern, tiefer legen, so richtig aufpimpen. Vielleicht rosa anstreichen mit gelben Flammen und natürlich eine Surround-Anlage einbauen.

Dann spüre ich das Leben von allen Seiten in all seiner Tiefe, Breite, Höhe und sonstigen Dimensionen. Und das ist doch allemal besser, als nur zu höchsten Höhen aufzusteigen.

9. Dezember – Rodrigo

Die Schlachtordnung wurde aufgestellt. Rodrigo fühlt diesen Kitzel in der Magengrube. Vorfreude. Gleich geht es los. Sie werden auf ihren Pferden vorpreschen, rechts und links austeilen, das Fußvolk niedermähen, bis sie auf gleichwertige Gegner treffen. Ein ehrlicher Kampf zwischen Ehrenmännern. Das Stampfen der Rösser, die Hitze der Leiber, das Klirren der Waffen und der Geruch von Blut. Das alles überlagerte bereits Rodrigos Blick auf die wartenden Soldaten.

Angst kannte er nicht. Rodrigo war jung und stark. Ein guter Reiter, ein guter Kämpfer. Kein Grund, sich Sorgen zu machen. Obwohl er oft genug im Kampf getötet hatte, war er selbst doch immer wieder davon gekommen. Manchmal durch Zufall, reines Glück, oft genug durch Können. Als es dann endlich losging, jubelte er. Der warme Wind fuhr ihm in die Kleidung. Sein Degen troff vom Blut. Ohne zu zögern, sprang er ins wildeste Schlachtgetümmel, um einem Freund zu helfen. Ehrensache. Keine große Sache. Denn er war doch unverwundbar. Mit fester Hand teilte er aus. Trieb die Feinde in die Enge.

Da plötzlich. Aus dem Augenwinkel heraus bemerkte er einen Schatten, der kurz die Sonne verdunkelte, bevor er spürte, wie ein Rapier aus seiner Seite herausglitt. Gezogen wurde. Rodrigo wandte den Kopf. Dort stand der, den er nicht kommen sehen hatte. Wilder Blick, eben vom Pferd gesprungen, die Waffen erhoben, um erneut anzugreifen. Aber Rodrigo fiel. Blut schoss in einer hohen Fontäne aus ihm hervor.

„Ich bin unverwundbar“, war sein letzter Gedanke. Der Himmel schien unerträglich blau und die Krähen sammelten sich auf den Bäumen.

8. Dezember – Allein auf einem Berg

Ganz allein auf einem Berg. Klirrende Kälte und eisige Klarheit. Die ganze Welt liegt vor mir ausgebreitet. Ich schließe sie in meine Arme. Ich spucke auf sie. Ich lache mit ihr. Ich schicke Wind und Regen über das Land. Lasse Schnee rieseln oder die Sonne scheinen.
Die Sterne dirigiere ich dort oben. Lasse den Mond aufgehen in seiner geheimnisvollen Halbheit. Die Hütte in meinem Rücken ist meine Höhle. Dort grabe ich mich tief in Decken, wärme meine Glieder am Feuer und schlürfe heißen Tee mit Schuss. Nur raue Wände, das prasselnde Feuer, die Welt und ich.

7. Dezember – Lange Nächte

Diese Zeit im Jahr, wenn die Nächte immer länger und kälter werden. Wenn die Tage im besten Falle kurz und sonnig sind. Die Abendsonne am Horizont feuerrot verglüht.
Die langen Schatten in einem tiefdunklen Violett auslaufen und die Bergspitzen blau leuchten. Im schlimmsten Falle bleibt es den ganzen Tag grau in grau. Verhangen mit einer watteweichen, bleiernen Wolkendecke erscheint der Himmel unerreichbar. Die Bäume recken ihm davon unbeeindruckt ihre nackten Äste entgegen.

Manchmal fisselt ein dünner Sprühregen aus den grauen Wolken oder sogar waschechter, weißer Schnee. Kristall für Kristall rieselt dann leise auf den Boden. Verschluckt alle Geräusche – für einen Augenblick. Bis dann der Schneematsch am Straßenrand sich türmt. Staumeldungen und Glatteiswarnungen aus dem Radio plärren.

Die längste Zeit des Tages herrscht Dunkelheit. Mühsam beleuchtet von der Straßenlaterne vor meinem Fenster. Nur am Horizont glitzern die Lichter der nächsten Ortschaft. Nicht lange nach Mitternacht erlischt auch das letzte von ihnen wie auch die Laterne vor meinem Fenster. Wenn ich dann das Licht lösche, bin ich ganz von samtener Schwärze umfangen. Weich streicht sie über meine Wangen und wiegt mich in meine Träume.