11. Mai – Das Tribunal

Das Tribunal tritt zusammen. Die Vorsitzende schlägt mit einem schweren Hammer auf den Tisch, die Mitglieder hören auf zu tuscheln. Ruhe kehrt ein. Die Delinquentin steht gefesselt zwischen zwei Wachen vor dem Halbrund der Richtenden.

„Was eigentlich wird mir vorgeworfen?“

Die Honoratioren beginnen wieder zu flüstern.

„Unerhört!“

„Das habe ich erwartet!“

„Unwürdig!“

Die Delinquentin schaut gespannt die Vorsitzende an. Die müsste ihr doch wenigstens eine Antwort geben. Aber die hat die Nase in den Akten vergraben, blättert und liest still für sich.
Schließlich haut sie wieder mit dem Hammer auf den Tisch.

„Ruhe, Ruhe, bitte!“

Dann liest sie das Urteil vor. Es ist hart. Einzelhaft auf unbestimmte Zeit.

„Aber wofür, wofür?“, ruft die Delinquentin.

„Nun tut sie so!“

„Das weiß sie doch ganz genau!“

„Seht sie Euch an!“

„Jämmerlich, einfach jämmerlich!“

Die Vorsitzende schlägt drei Mal mit dem Hammer.

„Ruhe, Ruhe jetzt!“

Mit einer ungeduldigen Handbewegung scheucht sie die Delinquentin aus dem Saal. Die Wachen führen sie hinaus. Dort nehmen sie ihr die Fesseln ab und schubsen sie aus dem großen Tor. Laut krachend schlagen die großen Torflügel hinter ihr zu.

Frierend zieht die Delinquentin ihre dünne Jacke über der Brust zusammen und geht langsam, sich mehrmals umwendend die Straße hinunter.