14. September – Die Bedürfniserfüllungsmaschine

„Das ist doch wirklich kein großes Ding, du kannst mich doch eben mal rüber fahren zu Klaus!“ Forderung steht in seinem Gesicht, auch Trotz und Empörung über meine Ablehnung. Die Bedürfniserfüllungsmaschine hat heute eine Störung, tut mir leid, mein Sohn, denke ich im Stillen. Und schüttele den Kopf.

„Nein!“

„Ach menno, warum denn nicht?“

Viele Antwortmöglichkeiten schießen mir durch den Kopf. Wilde Lügen wie „Tropfen vom Augenarzt und ich sehe nicht mehr richtig“ oder „Mein Kreislauf ist so down, dass es zu gefährlich ist Auto zu fahren“ fallen mir ein. Aber erstens glaubt mir das mein Sohn ohnehin nicht – ist ja ein schlaues Kerlchen – und zweitens warum soll ich eigentlich lügen?

Natürlich aus Angst. Ich mag nicht zugeben, dass ich nicht will, dass es mich ankotzt, dass ich keinen Nerv auf ‚Supermutter reitet wieder‘ habe. Wann bitteschön ist denn hier in dem Haushalt mal ein bisschen Zeit für mich und meine Bedürfnisse reserviert? Klar, ich bin ja selbst schuld. Erst die Gören so verziehen und dann beschweren.

Aber trotzdem. Die sind alt genug. Und dann gibt es eben Knatsch, dann haben sie Mami eben nicht mehr lieb. Meine Tochter hab ich schon verprellt, weil ich mit ihr partout nicht Gummitwist spielen wollte. Ihre Freundin Karin hat nämlich keine Zeit. Jetzt spielt sie in ihrem Zimmer mit zwei Stühlen, die die Beine der Mitspieler ersetzen. Und jetzt ist also mein Sohn dran. Will gefahren werden, dabei muss er nur aufs Fahrrad steigen und ist in einer halben Stunde bei seinem Kumpel.

Also sage ich: „Weil ich nicht will.“

„Das ist doch voll gemein von dir!“

„Ja, klar“, sage ich. „Ich find es auch voll gemein, dass du dein Zimmer nicht aufräumst und putzt, den Müll nicht rausträgst, vergisst den Teller in die Spülmaschine zu stellen. – Ich will einfach nicht. Ich brauche mal einfach Zeit und Ruhe für mich ohne Fahrdienst, ohne Putzdienst, ohne Spieldienst. Ich bin schließlich nicht nur Mutter und Putzfrau.“

Mein Sohn verzieht sein Gesicht. „Geht die Leier wieder los!“

„Genau, die Leier“, sage ich. „Und ich fahre dich auf keinen Fall. Nimm halt das Fahrrad, geh zu Fuß oder sag Klaus, dass er zu dir kommen soll.“

„Du bist echt blöd“, ruft mein Sohn, dreht sich um und rauscht aus dem Zimmer.

Eine Viertelstunde später schaue ich von meinem Buch auf und sehe die Mutter von Klaus vorfahren. Mein Sohn springt aus der Tür und steigt ein.

„Meine Güte“, stöhne ich, „Mütter aller Länder vereinigt euch doch endlich!“