Eines Abends kam ich wie gewöhnlich von der Arbeit nach Hause, hängte meine Schildmütze an den Haken, zog die schweren Arbeitsstiefel aus und wunderte mich über den merkwürdigen, heulenden Lärm, der aus der Küche drang.
Also öffnete ich die Küchentür und schaute nach. Meine Frau hatte gerade die Teekanne in der Hand, um meinem Vater Tee einzugießen. Ihr Gesicht sah verweint aus, die Augen gerötet, die Wangen ganz verquollen.
Meine Kinder saßen um den Tisch, ließen die Köpfe hängen, die Kleinste schniefte leise. Sogar mein Ältester hatte ganz verweinte Augen. Mein alter Vater saß mit dem Rücken zur Tür und sah mich nicht, unsere Nachbarin, die alte Schmidt stand neben dem Herd und knetete ihren Rosenkranz. Ich wunderte mich sehr. Mir kam es fast so vor, als müsse jemand gestorben sein, nur fehlte keiner. Sogar die Katze saß auf dem Fensterbrett und putzte sich das Fell.
Immer noch hatte mich keiner bemerkt. Ich räusperte mich und fragte leise: „Ist jemand gestorben!“ Meine Frau blickte auf, ließ die Teekanne fallen. Die traf zuerst die gerade gefüllte Tasse am Rand, so dass sie im weiten Bogen den Tee über den Tisch spie und dann Richtung Tischkante sprang. Dann knallte die Kanne auf die Untertasse und zersprang in tausend Stücke. Der Tee spritzte in alle Richtungen.
Mein Vater fuhr mitsamt dem Stuhl ein Stück nach hinten und stieß mich dabei fast um. Meine Frau hingegen streckte mit einem Blick voller Entsetzen die Hand aus und deutete mit ihrem ausgestreckten Zeigefinger auf mich. Ein ersticktes Gurgeln kam aus ihrer Kehle, dann wurde sie ganz weiß und kippte einfach um. Mit einem lauten Krachen landete sie hart auf dem Boden. Ich wollte schnellstens zu ihr, aber mein Vater saß im Weg. Er versuchte noch, seine mit heißem Tee durchnässten Hosenbeine vom Körper fernzuhalten und drehte sich endlich zu mir um.
„Mach Platz“, rief ich. Aber mein Vater wurde ebenfalls blass, seine Kinnlade sank so weit hinab, dass ich befürchtete, sein Gebiss würde mir entgegenspringen. Gleichzeitig hörte ich meine Kinder hilflos wimmern. Mein Vater sprang plötzlich auf, packte den Stuhl an der Lehne und brachte ihn zwischen sich und mich.
„Jesus, keuchte er mühsam und richtete die linke Hand mit ausgestrecktem kleinen und Zeigefinger auf mich. Die Nachbarin brach lauthals in ein „Vater unser“ aus.
Nur meine Jüngste begriff, krabbelte von der Bank einfach unter dem Tisch durch, rannte zu mir und umarmte mich ganz fest.
„Mama, Mama, Papa ist wieder da, Mama, guck doch. Papa ist wieder da.“