17. April – Hügelgrab

Silbernes Mondlicht lässt das Gras aufleuchten und die Erde in tiefer Schwärze verschwinden. Sebastian zieht an seiner Zigarette und schaut auf die Uhr. Claudia wollte längst hier am Hügelgrab sein. Ob sie verpennt hat?

Ungeduldig tritt er von einem Fuß auf den anderen. Das ist schon ganz schön unheimlich hier draußen. Sicherheitshalber ist Sebastian nur bis zum Feldrand gegangen und hat nicht den Hügel erklommen, wo sich das uralte Hünengrab wie ein steinerner Altar gegen den Nachthimmel abzeichnet.

Bewegte sich das was in der Schwärze?

Das bildete er sich bestimmt nur ein.

Wo blieb denn Claudia? Schließlich war das ihre Idee gewesen mit dem Treffpunkt und der Mutprobe.

Oder hatte sie das gar nicht Ernst gemeint und krümmte sich vor Lachen bei der Vorstellung, dass er sich wie ein Vollidiot mitten in der Nacht einen abfror.

Da ist doch ein Geräusch. Irgendwo knackt es.

Vielleicht ein Tier im Gebüsch.

Es gab ja keine Geister. War ja alles nur Einbildung. Schon merkwürdig wie die Sinne sich bei Dunkelheit verschärften.

Sebastian steckt sich noch eine Zigarette an. Plötzlich beginnt in der Ferne ein Hund zu bellen, dann noch einer und noch einer. Unter dem Hügelgrab bewegt sich was.

Er hätte doch eine Taschenlampe mitbringen sollen. Mist. Ob er mit dem Feuerzeug auch genug sehen konnte.

Vorsichtig nähert sich Sebastian dem Grab. Vielleicht ist das ein Tier oder er bildet sich das nur ein. Klar. Er ist es nicht gewohnt nachts draußen rumzulaufen.

Als Sebastian schon fast unter dem Dachstein steht, entzündet er sein Feuerzeug und blickt in eine schrecklich verzerrte Fratze. Er schreit laut auf. Das Feuerzeug erlischt und die Hunde hören schlagartig auf zu bellen.

Ein paar Minuten später irrlichtert ein Taschenlampenstrahl über das Feld und nähert sich langsam dem Hügelgrab. Es liegt verlassen da und wirft einen langen Schatten im Mondlicht.

„Sebastian, Sebastian!“, ruft Claudia gedämpft. Und leuchtet unter den großen Stein, umrundet das Hügelgrab, leuchtet ins Gebüsch. Kein Mensch da.

„Mist! Hab ihn verpasst.“

Unschlüssig steht sie noch einen Moment da, macht sich schließlich auf den Weg nach Hause.