Die Herolde des Königs machten im ganzen Reich bekannt, dass derjenige, der den sagenhaft Baum der Glückseligkeit finden würde und ihm eine Frucht von diesem Baum bringen würde, seine Tochter heiraten dürfe und sein Nachfolger im Herrscheramt sein würde. Das hörte Josefine, kurz auch Jo oder Fine genannt. Die dachte bei sich: „Das wäre doch genau das Richtige für mich.“
Außerdem fand sie die Prinzessin sowieso immer schon so nett und ein Königreich regieren könnte doch auch Spaß machen, auch wenn es nur so klein ist wie das hiesige. Also machte sich Josefine auf den Weg, um den sagenhaften Baum der Glückseligkeit zu finden.
Dabei traf sie viele junge Männer, die sich ebenfalls auf den Weg gemacht hatten. Die lachten Josefine aus. Wie wollte denn ein Mädchen solch eine schwere Aufgabe bewältigen. Und dann auch noch die Prinzessin heiraten, das gab es schon gleich gar nicht. Aber Josefine schalt sie nur Dummbeutel und ging weiter ihres Weges.
Die jungen Männer schwärmten aus in alle Gärten der Welt, um den Baum der Glückseligkeit zu finden. Aber Josefine vertraute einfach ihrem Glück. Ihr schien das die richtige Methode den Baum der Glückseligkeit zu entdecken. Und so zog sie durch die Welt.
Schließlich kam sie in einen großen Wald, der war ganz dicht und unheimlich. Kaum ein Licht drang durch das dichte Blätterdach auf den Boden des Waldes, der ganz mit Moosen und Farnen überwuchert war. Josefine konnte kaum erkennen, wo sie ihre Füße hinsetzte.
So lief sie einen ganzen Tag durch diesen Wald und es war immer noch kein Ende in Sicht. Da wurde es ihr doch unheimlich und sie kletterte in die Astgabel eines großen Baumes, weil ihr das für die Nacht sicherer erschien. Sie aß noch ein wenig von ihrer Wegzehrung und schlief erschöpft ein.
Gegen Mitternacht wurde sie wach und hörte leise Stimmen unter dem Baum. Sie wollte sich schon beschweren, weil die Stimmen sie aus so einem wunderschönen Traum geweckt hatten. Aber dann blieb sie still und hörte zu.
„Da kommt doch nie einer drauf, dass der Baum der Glückseligkeit einfach so hier mitten im Wald steht zwischen tausenden anderer Bäume“, sagte die eine Stimme.
„Ja“, stimmte die andere Stimme zu, „aber das ist doch traurig. Ich finde, der König hat es verdient ein Stück von der Frucht des unsagbaren Glücks zu naschen.“
„Ach ja?“, sagte die andere Stimme. „Der ist ja so dumm und denkt, der Baum der Glückseligkeit wäre ein Apfelbaum oder ein Pflaumenbaum oder sowas. Menschen sind doch einfach zu dumm.“
„Da hast Du natürlich Recht,“ stimmte die andere Stimme zu. „Aber wer käme auch darauf in einer uralten Eiche mitten im Wald den Baum der Glückseligkeit zu vermuten?“
„Ich sage ja, Menschen sind dumm. Die sehen eben gar nichts, auch wenn sie es direkt vor den Augen haben.“
Josefine spitzte die Ohren. Aber leider sagte keine der Stimmen, woran sie denn nun den Baum erkennen könne. Eichen gab es viele hier im Wald. Schließlich schlief Josefine wieder ein.
Am Morgen wurde sie vom Gesang der Vögel geweckt. Aber im Wald herrschte wieder das dämmrige Zwielicht. Was sollte Josefine jetzt tun? Sie konnte natürlich ewig in diesem Wald herumirren auf der Suche nach dem Baum der Glückseligkeit. Und vor allem, wie wollte sie denn herausfinden, dass es wirklich der richtige Baum war. Das konnte sie doch nur, wenn sie die Früchte aß. Aber von jedem Baum die Eicheln kosten, das war dann doch etwas zu viel verlangt.
Als sie noch so dasaß und grübelte, kam plötzlich ein Waldmensch zu ihr und sagte: „Suchst Du den Baum der Glückseligkeit?“ Josefine nickte.
„Ja, das tue ich. Kannst Du mich denn dort hinführen?“ Der Waldmensch wackelte lustig mit seinem Kopf von einer Seite zur anderen. Dabei berührte er mit seinen großen Ohren fast seine Schultern. Josefine musste lachen.
„Schau, was ich kann“, rief sie und machte eine alberne Fratze. Da lachte der Waldmensch auch. So alberten die beiden eine Weile herum.
Schließlich sagte der Waldmensch zu Josefine: „Du bist schon auch ein bisschen dumm, aber weil wir so nett miteinander gelacht haben, sage ich es Dir. Du bist schon da. Der Baum der Glückseligkeit ist genau hier.“
„Oh“, sagte Josefine und schaute den Baum an, in dem sie die Nacht verbracht hatte. „Hätte ich ja auch drauf kommen können.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Danke, dass Du es mir gesagt hast“.
Nun lachte der Waldmensch und streckte ihr zum Abschied die Zunge heraus, bevor er verschwand. Da sammelte Josefine einen ganzen Beutel Eicheln auf und eine schälte und probierte sie. Das schmeckte gar nicht so schlecht, wie sie erwartet hatte. Wow, und die Wirkung war auch erstaunlich.
Ein solches Glücksgefühl kannte noch nicht einmal die stets gut gelaunte Josefine. Ohne lange zu überlegen, schlug sie den richtigen Weg ein, um aus dem Wald hinaus zu finden. Dann zog sie weiter Richtung Heimat. Schließlich kam sie beim König an. Der war es schon langsam leid, ständig irgendwelches Obst zu kosten, dass nun wirklich rein gar keine Glückseligkeit bei ihm hervorrief.
So war der König auch nicht begeistert, als Josefine vor ihm stand und behauptete den Baum der Glückseligkeit gefunden zu haben. Und dann sollte die Frucht auch noch eine Eichel sein. War er denn ein Schwein, dass er so etwas probieren sollte.
„Dann gib die Frucht doch einem Deiner Diener zu essen“, schlug Josefine vor. Und darauf ließ der König sich ein.
Doch kaum hatte der Diener die Eichel verzehrt, da strahlte geradezu das Glück aus all seinen Poren. Er schwebte mindestens 10 Zentimeter über dem Boden, so glücklich war er. Da fielen dem König fast die Augen aus dem Kopf und er konnte gar nicht schnell genug eine weitere Eichel verlangen, um sie selbst zu probieren.
Da gab Josefine ihm den Beutel mit den Eicheln. Und der König futterte sie eine nach der anderen auf. In all der Glückseligkeit machte es ihm dann gar nichts aus, Josefine seine Tochter zur Frau zu geben und abzudanken. Aber ach, die Früchte der Glückseligkeit waren allzu schnell aufgezehrt.
Da hungerte den König nach mehr, so bekniete er Josefine, ihm den Weg zu verraten. Und die zierte sich keine Sekunde und beschrieb ihm genau, wie der den Baum der Glückseligkeit finden könne. Der abgedankte König zog aus in die Welt und kam niemals mehr wieder. Manche glauben ja, dass er den Baum niemals gefunden hat.
Und wahrscheinlich ist das ohnehin nur ein albernes Märchen.