22. Juli – Im Fluss

Träge scheint der Fluss dahinzufließen, ganz weit erstreckt er sich von Ufer zu Ufer. Und doch hat er Macht, doch hat er Gewalt. Sein Wasser fließt rasch zu Tal. Nur bemerkst du das erst, als ein großes Blatt vom Baum fällt und in sekundenschnelle mitgerissen und fortgetragen wird. Schon ist es deinem Blick entschwunden. So ist das also, es ist ganz einfach, fortzugehen, wenn der Fluss dich mitreißt.

Nur dieser eine Schritt. – Hinein und der Fluss trägt dich mit, wirbelt dich herum, wiegt dich und spuckt Dich irgendwo aus. Vielleicht schaffst du es bis ins Meer, vielleicht bleibst du an der Uferböschung in alten Wurzeln hängen, vielleicht zieht er dich in die Tiefe und du hauchst deinen letzten Atemzug aus. Wer weiß?
Nur dieser eine Schritt. – Die Geschwindigkeit bestimmt der Fluss. Da ist es vorbei mit deiner Allmacht. Wie einfach es scheint, jemand zu sein, wenn du am Ufer stehst. Nur so einsam, nur so leer.

Nur dieser eine Schritt. – Und dann gibst du dich hin, mit Anmut tauchst du ins Wasser, der Fluss umschmeichelt dich, du kannst ihm Vertrauen. Und zu deiner Überraschung löst du dich nicht auf, zu deiner Verwunderung gleitest du leicht dahin. Der Fluss umspielt deinen Körper, er kost dich.

„Wie schön, dass du endlich hier bist“, flüstert er dir zu. „Wir haben dich solange dort am Ufer stehen sehen, so voller Sehnsucht und voller Furcht. Aber jetzt, jetzt bist du ja da!“

Nur dieser eine Schritt. – Nur.