23. Juli – Deine streng übereinandergelegten Hände

Ich sehe dich noch dasitzen mit deinen streng übereinandergelegten Händen, immer so klein und immer sehr ordentlich, irgendwie aufgeräumt. Ich kann heute gar nicht sagen, was ich an dir so sehr liebte?

Vielleicht solltest du nichts weiter sein als mein Rettungsanker. Auf keinen Fall warst du meine wirkliche Vertrauensperson, denn ich kann mich nicht erinnern, dass ich dir wirklich anvertraut habe, was mir damals fast jeden Tag Schlimmes widerfuhr.

Ich habe es mir selbst ja kaum eingestanden. Wie sollte ich da mit dir sprechen? Nur Hilfesignale habe ich versandt. Und das war doch schrecklich, das war wie so eine blinkende Unfallboje auf dem weiten Meer, wie auf einer einsamen Insel und keiner kam vorbei, um mein Leuchtfeuer zu sehen.

Irgendwann schicktest Du mich fort, weil Deine Eltern der Meinung waren, ich würde Dich verderben. Vielleicht eher, weil Du selbst Angst hattest, ich könnte Dich infizieren. Ganz ehrlich, ich weiß es bis heute nicht wirklich. Aber vermutlich war es klug von dir mir aus dem Wege zu gehen.

Denn später habe ich selbst diese Menschen kennengelernt. Die tickenden Zeitbomben. Die schleichenden Mahnmale von Ungerechtigkeit und Leid. Und ich glaubte, all diese armen Gestalten retten zu müssen, ließ mich ausnutzen, ausnehmen und leersaugen bis zur bitteren Neige. Zum Glück merkte ich noch rechtzeitig, dass sich jeder nur selbst retten kann. Jedenfalls für die Zombies dieser Welt gilt das, die jegliche Verantwortung für ihr Leben ablehnen. Also habe ich aufgehört ein Zombie zu sein.

Vielleicht also bist du nur vor meiner alles verschlingenden Bedürftigkeit geflüchtet. Vielleicht war ich ein allzu mächtiger Spiegel deiner eigenen Zerrissenheit. Ich weiß es nicht. Ob es Liebe war, wirklich Liebe, das kann ich heute gar nicht mehr sagen. Eher Einbildung, warum also länger hinterhertrauern? Wo es doch so, wie es ist, viel besser war.