23. April – Mojo

„Hör auf Dein Mojo, Mann! Das ist das allerwichtigste! Echt Alter, nicht beirren lassen. Niemals den Mojo aufgeben!“

Frank schaute etwas misstrauisch auf den jungen Burschen, der sich mit einer Rotweinflasche in der Hand neben ihn gestellt hatte. Unauffällig kontrollierte er, ob Schlüssel, Brieftasche und Uhr noch an ihrem Platz waren.

Es schien alles in Ordnung. Also nickte er nur mit einem maskenhaften, kurzen Lächeln und rückte vorsichtig etwas von dem ungewaschenen Kerl mit strubbeligen Haaren und sehr phantasievoller Kleidung ab.

„Machst Du Musik, Mann“, wollte der nun wissen und rückte Frank wieder auf die Pelle.
„Siehst aus wi’en Saxophonist. Sinnliche Lippen, Mann. Egal, was Du machst, Alter, denk immer an Dein Mojo.“

„Danke für den Hinweis.“

Frank überlegte, ob er nicht lieber doch ein Taxi nehmen sollte. Bei seinem Glück nahm dieser Typ die gleiche Straßenbahn und dann hatte er ihn die ganze Fahrt über am Hals.

„Du machts doch bestimmt Musik, oder? Ey Alter, siehst aus wie ein cooler Mufti. Machst bestimmt Musik. Hey, komm, sach doch?“

Nun gut, Frank straffte die Schultern.

„Entschuldigen Sie bitte, ich möchte mich nicht unterhalten“, sagte er förmlich.

Der junge Mann sank etwas in sich zusammen, zog den Kopf ein, die Schultern hoch und stellte sich schließlich in die andere Ecke des Wartehauses. Frank hörte ihn noch eine Weile vor sich hinmurmeln. Dann kam die Straßenbahn und als Frank einstieg, hörte er, wie der junge Mann den aussteigenden Fahrgästen zurief.

„Hör auf Dein Mojo, Mann, hör auf Dein Mojo!“

Dann klappten die Türen zu, Frank ließ sich in einen freien Sitz fallen und hatte das Gefühl, auf sein Mojo gehört zu haben.