Gestern Morgen stand Katharina vor der Tür zu ihrem Büro. Sie hatte die Hand schon zur Klinke ausgestreckt und hielt plötzlich inne. Sie konnte dort nicht hineingehen. Alles in ihr sagte ihr, dass dies der falsche Weg war. Sie ließ die Hand sinken.
Ganz von tief unten, da kroch die Angst in ihr hoch. Trotzdem verharrte sie noch vor dieser Tür. Das Furnier sah nach Buche aus, aber sie konnte nicht erkennen, ob es Echtholz war oder nur Laminat.
So war das auch in ihrem Leben, sie hatte große Schwierigkeiten damit zu unterscheiden, was echt und wahr und wahrhaftig war und was nebensächlich und falsch, nur ein Imitat. Katharina sehnte sich so sehr danach, einfach frei zu sein von dem täglichen Trott, von dem Zwang seine Existenz sichern zu müssen. Frei davon immer gutmütig und verständnisvoll und nervenstark zu sein, frei davon die Ruhe selbst zu sein, wenn der Sturm um sie herum tobte.
Aber sofort kam der Zweifel, vielleicht fühlte sich Freiheit nicht wirklich gemütlich an und war nicht kuschelig weich wie ein Pulli aus Fleece, sondern rau und kratzig wie Schafswolle. Vielleicht hatte Freiheit sogar einen Preis, den Katharina gar nicht zahlen wollte. Sie fühlte sich noch nicht bereit, vielleicht würde sie es niemals sein. Also drückte sie die Klinke hinab, öffnete die Tür und wünschte ihren Kollegen einen guten Morgen.