4. April – Wer wird dir zuhören?

Wer wird dir zuhören? Torben war wirklich besorgt. Seit die Kirche diese elektrischen Beichtstühle eingeführt hatte, ging er gar nicht mehr gerne hin. Aber der virtuelle Pfarrer auf dem Bildschirm hatte ihm versichert, die Absolution gälte wirklich genauso wie früher.
Außerdem gab es ohnehin keine echten Pfarrer mehr auf dem Lande. Das lohnte sich nicht.

Wenn er eine richtige Messe besuchen wollte, dann musste er fast 120 Kilometer weit fahren. Aber wie sollte Torben das noch schaffen mit seinen Ersatzaugen und der Beinprothese. Es ging eben doch so langsam zu Ende mit ihm.

Torben machte sich große Sorgen um sein Seelenheil. Wie sollte er das erlangen, wenn er jede Woche nur einer Maschine von seinen Sünden erzählte, nachdem er seine Kollekte eingeworfen hatte. Anschließend segnete ihn ein Automat. Das war es dann. Zu Hause empfing ihn der automatische Haushälter.

Wenn er seine Freunde treffen wollte, dann trafen sie sich online. Es ging ja heute ohnehin kaum noch einer von den Alten aus dem Haus. Die störten doch nur.

Niemand sah gerne den Verfall, niemand wollte daran erinnert werden, dass ihn auch selbst irgendwann einmal der Tod ereilen würde.

Ja, natürlich. Die Lebenserwartung war hoch. Die Frauen wurden im Schnitt 117 Jahre alt, Männer immerhin 105. Torben hatte sie alle überlebt.

Er war jetzt 121 Jahre alt. Er erinnerte sich noch an richtige Kirchen aus Stein, mit Holzbänken, in denen man sitzen konnte. Und an echte Beichtstühle, wo ein Pfarrer auf der anderen Seite saß. Torben erinnerte sich auch noch an menschliche Ärzte und an Stewardessen im Flugzeug.

Und manchmal dachte er, dass die Welt ihm nicht nur deshalb schöner vorgekommen war, weil er damals jung war und alles noch vor ihm lag.

Er vermisste die anderen Menschen.

Er wäre beruhigter, wenn sich wenigstens ein Einziger von den Jungen für seine Geschichten aus der Vergangenheit interessieren würde.

Wenn ein Einziger sich die Zeit nähme, all die im langen Leben erworbene Weisheit zu würdigen.

Stattdessen erzählte er einem Automaten davon, der dann ständig blinkte und Fehlfunktionen anzeigte.

Immerhin war das ein Anlass, einmal in der Woche die Wohnung zu verlassen.
Immerhin hatte er sich bisher beharrlich geweigert, sich einfach in der Online-Church anzumelden.

Immerhin konnte er auf dem Weg zum elektrischen Beichtstuhl den Wind auf seiner Haut spüren, die Sonne sehen, den Regen fühlen, die Bäume betrachten, die Wolken beobachten.

Wenigstens etwas, das sich in all der Zeit überhaupt nicht verändert hatte.