5. Januar – An meinen inneren Saboteur

Lieber Saboteur, ich erkläre den Frieden mit Dir! Natürlich, Du hast eine Menge Mist gebaut. Du hast mich verschlafen lassen, wenn ich eine wichtige Prüfung hatte. Du hast mich plötzlich den Weg nicht finden lassen, wenn ich eine wichtige Besprechung an einem unbekannten Ort wahrnehmen musste. Du hast mich schweigen lassen, als es besser gewesen wäre, zu sprechen.

Du hast mich dummes Zeug reden lassen, wenn es besser gewesen wäre zu schweigen. Du hast mich dazu verführt, lieber untätig vorm Fernseher zu hängen anstatt an meiner Karriere zu arbeiten. Und ich war so wütend auf Dich, immer wieder. Ich habe Dir den Krieg erklärt. Ich habe geschworen, dass ich Dich in die Ecke treiben werde, dass ich Dich verprügeln werde, dass ich Dich hinauswerfen werde in die Kälte ohne ein Dach über dem Kopf, ohne Geld, ohne Sicherheit. Aber dann habe ich es doch niemals getan.

Und eines Morgens, als Du mir endlich einmal ganz offen und ehrlich gegenüberstandst und mir sagtest: Gib doch einfach gleich auf. Aus Dir wird doch niemals etwas. Sei froh, wenn Du Deinen kleinen Job behältst, Dein kleines Leben weiterführen kannst. Niemals wirst Du die Welt ändern, niemals wird irgendjemand Dir zuhören, niemals werden Menschen geheilt werden durch die Macht Deiner Worte. Da wurde mir klar, dass der Saboteur einfach Angst hat und nur aus Angst handelt. Und mir wurde klar, dass der Saboteur ich bin.

Es wird Zeit, dass ich dem Saboteur den Frieden erkläre und ihn mitnehme bei meinem Aufstieg auf den großen Angstberg. Von dort oben haben wir einen freien Blick auf das Tal der Tränen, auf den großen Wutstausee, dessen gewaltige Staumauer gigantische Wassermassen zurückhalten muss, aber gleichzeitig erzeugt diese ganze angestaute Wut Energie, wichtige Energie, die es leuchten lässt in der kleinen aufgeräumten Stadt, die ich rechterhand liegen sehe. Energie, die dafür sorgt, dass dort die Straßenbahnen fahren, die Kühlschränke und Herde funktionieren.
Links gleich neben dem Tal der Tränen liegt das Tal der tausend Freuden. Und darauf folgt, das Feld des Mutes, der Wald der Finsternis und Träume und das Meer der Sehnsüchte. Im Angstberg liegt eine Höhle, die führt mich ganz tief hinab unter die Erde, wo der gewaltige Druck der Gesteinsmassen Kohle zu Diamanten gepresst hat. Gewaltige Stalaktiten hängen von der Decke und eine Goldader läuft unter dem Berg entlang. Wenn ich noch weiter suche und grabe stoße ich überall auf verborgene Schätze. Ich lade den Saboteur ein, sich mit mir in einer dunklen Grotte vor einen kleinen Tümpel zu setzen. Und dem steten Tropfen des Wassers zuzuschauen.

Lieber Saboteur lege Deine schwarze Augenmaske ab und höre auf, mich am Leben zu hindern. Ja, das Leben ist gefährlich und traurig und unsicher, es geschehen ständig Dinge, mit denen niemand rechnen konnte. Vielleicht werden unsere Träume wahr, vielleicht scheitern wir und verlieren damit sogar unsere Träume. Aber dann kommt etwas Anderes, etwas Neues. So hoffe ich. Ehrlich ich weiß es nicht. Ich habe auch Angst, aber ich will es trotzdem versuchen. Bitte lieber Saboteur, hilf mir dabei, schließe Frieden mit mir. Gemeinsam haben wir eine Chance.