6. Oktober – Langeweile

Nebel hängt über der Landschaft, kriecht am Horizont entlang, wallt kalt und feucht immer näher. Dieses graukalte, feuchte Wetter versetzt mich zurück in meine Kindheit. Lange öde Nachmittage voller Langeweile breiten sich in mir aus. Verzweifelte sich in endlose Länge dehnende Sekunden, Minuten, Stunden. Warten. Warten auf was?

Die Zeit verrinnt völlig sinnlos, wälzt sich auf ein Ereignis zu, das genauso unspektakulär ist wie dieser feuchtkalte Nachmittag allein im Zimmer. Der nicht schneller vergeht, weil ich aus dem Fenster starre.

„Mal doch was!“

„Beschäftige dich doch irgendwie“.

„Hast du keine Hausaufgaben?“

Manchmal sind alle Hausaufgaben gemacht, alle Bücher aus der Bibliothek ausgelesen, alle Bilder gemalt. Und dann diese Leere, diese lange Weile. Lang, lang, länger.

Fast hatte ich dieses quälende Gefühl vergessen. Heute erwachsen, busy, stets geschäftig, immer in Bewegung, allzeit bereit unterhalten zu werden oder zu unterhalten, keine Zeit, sowieso immer auf dem Sprung, voll im Stress, unabkömmlich und so wichtig, kommt heute kaum noch Langeweile auf.

Schade. Diese süße Qual! Vorbote einer Entladung, einer Explosion, einer Eingebung. Die Ruhe vor dem Sturm. Eine lange Weile, die sich ausbreiten und dehnen und mich leiden lassen darf.