25. April – Wahre Schwestern

Es waren einmal zwei Schwestern, die eine war groß und schlank und hatte Haare wie Mahagoni und Haut wie Karamell und Lippen rot wie Erdbeergelee, die andere war klein und drahtig und hatte Haare wie Weizen und Haut wie Milch und Lippen rosa wie Brausepulver.

Die beiden Schwestern waren auch in ihren Charaktereigenschaften und Fähigkeiten sehr unterschiedlich, nur in einem waren sie sich völlig einig: in der unverbrüchlichen Liebe zueinander. Alles taten sie gemeinsam. Und da sie sich derart gut ergänzten, gelang ihnen fast alles. Wenn ihnen aber etwas misslang, dann lachten sie nur darüber.

Doch eines Tages kam ein Jüngling in ihre Stadt, der war so schön, hatte dunkles Haar und lange Wimpern, war nicht zu groß und nicht zu klein, war nicht zu klug und nicht zu dumm, in allem war er genau richtig. Und beide Schwestern verliebten sich heiß und innig in den Jungen und keine wollte ihn teilen.

Soweit also waren sie sich einig, aber welche der beiden sollte den Jüngling nun bekommen. Nach einer Weile kamen sie überein, dass der Junge entscheiden sollte. Also gingen sie zu ihm und fragten ihn.

Der aber lachte und sagte: „Ach, ihr lieben Schwestern. Ihr beide seid sehr schön und es ist ein großes Kompliment, dass ihr mich derart liebt, dass ihr eure innige Liebe zueinander aufs Spiel setzt. Aber ich bin bereits verlobt und werde bald heiraten.“

Da schauten sich die beiden Schwestern verdutzt an. Niemals wären sie darauf gekommen, dass irgendjemand sie beide verschmähen könnte. Nun ja, aber der Jüngling musste es ja wissen.

„Ach“, sagten da die Schwestern zueinander, „der wird auch mal alt und häßlich und vielleicht ist er gar nicht so toll wie er uns jetzt erscheint, schließlich kennen wir ihn kaum. Und nun ja, das Mädchen wird wohl gut zu ihm passen, wenn die beiden nun einmal verlobt sind, müssen wir uns drein schicken. Hauptsache wir haben einander.“

Und später verliebte sich jede der Schwestern in einen eigenen Mann und sie blieben immer in inniger Liebe verbunden.

Der Jüngling aber hatte die beiden Mädchen angelogen, nirgendwo wartete eine Braut auf ihn. Aber er wusste auch, dass er niemals glücklich geworden wäre, wenn er sich für eine der beiden Schwestern entschieden hätte. Und so wurde er zu guter Letzt auch glücklich.