25. November – Die Sachenflüsterin

Wenn bei uns etwas verloren geht, dann werde meistens ich herbeigerufen, um das Etwas zu finden. Ich gelte nämlich als Sachenflüsterin. In den meisten Fällen allerdings handelt es sich nur um etwas Verlegtes.

Das ist die häufigste Variante eines scheinbar verlorenen Gegenstandes. Die Klassiker sind natürlich die Brille und der Schlüsselbund. Aber ab und zu ‚verliert‘ mein Mann auch seinen Schraubendreher, seinen Elektrotacker oder das Nudelholz.

Zugegeben – das Nudelholz ging nur einmal verloren – aber das ist eine andere Geschichte.

Um einen verlegten Gegenstand zu finden, ist vor allem innere Ruhe notwendig. Sich von allem Wollen freimachen, sich entspannen. Dann geschieht es ganz häufig, dass ich einfach ohne lange, womöglich noch systematisch suchen zu müssen den Gegenstand finde.

Meine Kinder nennen mich deshalb die Sachenflüsterin. Sie sind davon überzeugt, dass ich mich innerlich in die Sachen hineinversetze und deshalb intuitiv ‚weiß‘, wo sie abgeblieben sind. Im Grunde haben sie damit Recht. Aber es gibt auch Dinge, die sich meinem Talent verschließen. Wirklich und echt verlorene Sachen.

Der unachtsam abgestreifte Ohrring ist so ein Kandidat. Der will meistens nicht gefunden werden. Falls doch, dann klackert er auch gut hörbar auf dem Fußboden oder im Waschbecken, sobald er sich vom Ohrläppchen löst. Jede Finderin, die etwas auf sich hält, wird den Ohrring dann unter dem Badezimmerschrank oder aus dem Abfluss retten. Auch wenn sie vorher erst einmal die Rohrzange finden muss, die aus unerklärlichen Gründen nicht im Werkzeugkoffer liegt, wo sie eigentlich hingehört.

Aber oft genug verschwindet ein Ohrring lautlos und auf Nimmerwiedersehen. Das hat er mit den linken Socken gemein, die sich auch so gerne in irgendwelchen Ritzen verkriechen und erst wieder auftauchen, wenn sein rechtes Pendant längst zum Schuhputzen abkommandiert ist.