25. März – Die Amsel und die Schnecke

Es war einmal eine kleine Schnecke, die hatte ein wunderschönes Haus, das war gelb und braun und weiß. Die Schnecke war fürchterlich stolz auf die tollen Farben und das schimmernde Perlmuttweiß ihres Hauses. Und sie zeigte sich gerne damit. Eines Tages aber kam eine Amsel vorbei, die hatte großen Hunger.

Als sie das Haus der Schnecke sah, da war sie froh, dass es ihr so leuchtend in die Augen sprang. Sofort lief der Amsel das Wasser im Schnabel zusammen, als sie an die leckere Schneckenmahlzeit dachte. Und schon pickte sie los.

Aber das brüllte die Schnecke ganz laut:

„Hör auf, hör auf, mein schönes Haus!“

Da hielt die Amsel inne und fragte verblüfft: „Warum schreist Du denn nicht um Dein Leben, sondern nur um Dein Haus?“

Da guckte die Schnecke vorsichtig aus den Windungen ihres Schneckenhauses hervor.
„Es ist doch so wunderschön und einzigartig, das darfst Du nicht zerstören. Ich komme lieber heraus, dann musst Du mein schönes Haus nicht kaputt machen.“

Und die Schnecke wagte sich noch weiter hervor. Die Amsel machte einen Schritt zurück und legte den Kopf schief. Eine ganze Weile beobachtete sie auf diese Weise die Schnecke.
Ein paar Mal zuckte sie kurz mit dem Flügel und schnellte auch einmal kurz mit dem Kopf vor.

Aber dann sagte sie: „Ich habe Achtung vor Dir, meine liebe Schnecke! Mögest Du lange leben und Dein Haus immer schön und einzigartig bleiben.“

Die Schnecke wackelte überrascht mit ihren Tentakeln.

Bevor sie etwas sagen konnte, war die Amsel bereits davongeflogen.

24. März – Im Rhythmus

Badabumm, badabumm, badabumm. Immer wieder hämmert es hinter der dünnen Wand des Apartments im Rhythmus, mindestens 120 Schläge die Minute. Darüber liegt ein mal laut plärrender, mal dumpf wimmernder Singsang. Das geht so seit Stunden. Und es war bereits nach drei Minuten unerträglich.

Stefan hält sich die Ohren zu.

Das Klopfen an der Wand hat er bereits aufgegeben.

Das Klingeln beim Nachbarn ebenfalls. Beides hatte er völlig vergeblich versucht. Immer weiter hämmerte der Beat. Unaufhörlich, unerträglich.

Also gut, also doch. Es bleibt Stefan nichts anderes übrig. Er wählt die Nummer der Polizei.
Über den Lärm hinweg schreit er in den Hörer, hält sich das andere Ohr zu, um überhaupt etwas zu verstehen.

„Nachbar…“, sagt er „Lärmbelästigung…, drehe gleich durch…, meine Adresse…. Bitte schnell.“

Eine freundliche Stimme bittet ihn um etwas Geduld, aber die Kollegen würden bald da sein.

Also wartet Stefan am Fenster.

Schaut die Straße rauf und runter.

Schließlich fährt ein Streifenwagen vor.

Zwei Polizisten steigen aus, suchen auf dem Klingelschild. Durch den lauten Beat hört Stefan die Klingel kaum. Er drückt auf den Summer, um die Haustür zu öffnen.

Plötzlich Stille. Nebenan ist alles ruhig.

Die Stille ist ein Schock.

Der Beat hallt noch in Stefans Kopf nach, tropft immer noch durch seine Gehörgänge ins Gehirn.

Nur widerstrebend begreift er, dass der Lärm wirklich aufgehört hat.

Die beiden Polizisten stapfen die Treppe hoch.

„Sind Sie der Nachbar?“

Stefan nickt. Ihm ist es ein bisschen peinlich.

„Jetzt hat der Lärm aufgehört.“

„Keine Angst“, sagt einer der Polizisten, „wir konnten das Gewummere sogar vor der Haustür hören. Welche Tür ist es denn?“

Stefan deutet stumm auf die Wohnungstür zu seiner Rechten. Der Polizist klingelt.
Kurze Zeit später wird die Tür geöffnet. Der Nachbar steht mit der Zahnbürste im Mund da.

„Was’n los?“

Die Polizeibeamten fangen an: Lärmbelästigung, nächtliche Ruhestörung, Anzeige.

Oh Mann“, wendet sich der Nachbar an Stefan, „tut mir echt leid, da ist mir wohl die Kopfhörerklinke aus dem Verstärker gerutscht. Ich kann nur bei Musik schlafen.“

Er zuckt entschuldigend mit den Achseln.

23. März – Männer können nichts dafür

Männer können nichts dafür, oder? 92 % der Gefängnisinsassen sind männlichen Geschlechts. Nur etwa 8 % weiblich. Woran liegt das?

Es gibt da ganz ernsthafte Theorien. Eine lautet: Frauen sind genauso kriminell und gewalttätig wie Männer. Aber sie werden von den meistens männlichen Richtern geschont, weil sie zuviel Respekt vor Frauen haben.

Lustige Idee, allerdings kommt es mir so vor, dass Frauen viel härter verurteilt und auch in der Öffentlichkeit beurteilt werden, wenn sie zu Mörderinnen, Räuberinnen oder Erpresserinnen werden. Gerade weil es eher selten vorkommt und nicht mit dem landläufigen sanftmütigen Image der Frau übereinstimmt.

Eine andere Theorie lautet: Frauen leben ohnehin unter einengenderen Verhältnissen und haben deshalb weniger Gelegenheit Straftaten zu begehen. Sobald sie die gleichen Rechte bekommen wie Männer, wird sich auch irgendwann die Zahl der Straftaten angleichen. Dies sei bei jungen Straftätern bereits zu beobachten.

Eine weitere, allerdings nicht ganz ernstgemeinte Theorie lautet: Frauen sind einfach zu schlau. Sie lassen sich einfach nicht erwischen.

Eine weitere Theorie lautet: Frauen sind von Natur aus sanftmütigere und verantwortungsvollere und damit auch weniger gewalttätige und viel gesetzestreuere Wesen. Dies liegt daran, dass sie weniger Testosteron ausschütten.

Eine weitere Theorie lautet: Frauen sind seit mindestens 2000 Jahre als sanftmütige und verantwortungsvolle Wesen sozialisiert und verhalten sich entsprechend dem von der Gesellschaft anerkannten Frauenbild.

Das von der Gesellschaft anerkannte Männerbild ist dann also so: Männer dürfen gewalttätig sein, andere Wesen und vor allem Frauen und Kinder als ihren Besitz und jederzeit verfügbar ansehen. Sie dürfen das sogar mit anderen Männern, wenn sie nur mächtig genug sind. Sind sie nicht mächtig genug, dann ist es ihre Pflicht, sich auf irgendeine Weise dennoch Macht zu verschaffen. Vorzugsweise durch Gewaltakte gegen Schwächere.

Wenn sie dann erwischt und zur Verantwortung gezogen werden sollen, dann wird flugs die schlimme Kindheit verantwortlich gemacht. Und so wird die Verantwortung für missratene Männer wieder ganz geschickt auf die Mütter übertragen.

Am Ende sind doch die Frauen Schuld daran, dass 92 % der Gefängnisinsassen männlichen Geschlechts sind. Hätten sie mal die dummen Kerls besser erzogen.

Die Männer sind natürlich überhaupt nicht verantwortlich und können leider gar nichts daran ändern, dass sie nun einmal so sind, wie sie sind. So what.

22. März – Wasser findet seinen Weg

Wasser findet seinen Weg. ropf, tropf. In regelmäßigen Abständen tropft Wasser von der Decke und platscht in eine immer größer werdende Pfütze am Boden. Der Teppich, der in der Mitte des Wohnzimmers liegt, hat sich bereits mit Wasser vollgesogen.

Nun verteilt sich das Wasser auf dem Laminat, breitet sich langsam immer weiter aus. Irgendwann wird es in die Ecken dringen. Irgendwann wird es über die Türschwelle plätschern. Irgendwann wird es sich einen Weg nach unten suchen, in die nächste Etage.

Tropf, tropf. Wasser findet immer seinen Weg

21. März – Der wacklige Stuhl

„Wie gut, dass ich kein alter Latschen bin auf dem der Hund herumkauen darf“, dachte der wacklige Stuhl, der in der Ecke stand.

Seit langen Jahren schon wollte keiner mehr auf ihm sitzen. Nur Kleidung wurde über ihn geworfen. Ab und zu ächzte der Stuhl, wenn ein besonders schwerer Mantel auf ihm landete.

Aber meistens fühlte er sich ganz wohl. In seiner Ecke hatte er alles gut im Blick. Er sah die alte Dame aus dem Garten kommen, die schmutzigen Gartenschuhe zog sie immer schon an der Tür aus und stellte sie auf einen alten Putzlumpen. Dann schlüpfte sie in ihre Hausschuhe, zog die Gartenschürze aus und legte sie über die Lehne des Stuhls.

Wenn sie eine Jacke trug, legte sie auch diese dort ab. Meistens war es eine dicke Strickjacke, die vor langer Zeit einmal rosa gewesen war. Irgendwie war ihr in all den Jahren die Farbe abhandengekommen. Nur wenn es besonders kalt und regnerisch war, trug die alte Dame einen dicken, schweren Mantel, der den Stuhl zum Ächzen brachte.

Vor allem deswegen liebte der Stuhl den Frühling und den Sommer. Die alte Dame kam auch viel häufiger bei ihm vorbei in diesen Jahreszeiten.

Sonst stand er manchmal lange Zeit allein da.

Das war hart, besonders wenn der schwere Mantel auf ihm lastete.

Aber sogar dann war er lieber noch ein alter Stuhl, auf dem keiner mehr sitzen wollte. Nicht ganz nutzlos und deshalb noch gelitten, obwohl seine geflochtene Sitzfläche längst durchgebrochen war.

Immerhin wurde er noch nicht zerfleddert und zerkaut. Immerhin.

20. März – Frühlingserwachen

Frühlingserwachen. Dort stehe ich also auf der Bergkuppe, nun gut Hügelkuppe und schaue weit hinaus ins Tal. Hingebreitet liegt es da, die hellgrünen Spitzen der Gräser brechen langsam durch, kleine Blumen wachsen rechts und links neben mir unter den Bäumen und ich frage mich, wie die eigentlich heißen. Vielleicht Himmelsglöckchen und Silbersternchen, so sehen sie jedenfalls aus.

Am allermeisten spüre ich dieses Frühlingserwachen in mir selbst. Noch gebremst, noch zügele ich mich, aber mein Motor brummt, gut geölt und gewartet, der Turbolader eingeschaltet und der komplette Motor getunt.

Ein paar Mal lasse ich meinen inneren Motor aufheulen, aber noch ist der erste Gang nicht eingelegt. Ein paar Vorbereitungen sind noch zu treffen vor der großen Reise dieses Jahres.
Aber dann, wenn es losgeht, werde ich fahren, fahren, fahren und nur bremsen um niemandem zu schaden und nur anhalten um Kraft zu tanken.

Ich freue mich, bald geht es los.

19. März – Horatio gewinnt keinen Preis

„Hallo du Muse, knutsche mich gefälligst!“, ruft Horatio laut, aber keine Muse hört ihn.
Ach nein, wieder einmal fällt ihm nicht ein, was er dieses Jahr bei dem Wettbewerb für den leckersten Kuchen beim Osterpicknick einsenden soll.

Er hat schon viele Kuchen getestet, aber in den meisten Fällen endete es damit, dass die Testpersonen spuckten und ihm empfahlen, den Kuchen lieber nicht einzureichen. Einer wollte ihn sogar verklagen.

Der war einmal sein bester Freund gewesen. Bevor Horatio ihm seinen Kuchen zum Kosten gegeben hatte.

„Undank ist der Welten Lohn“, murmelt Horatio vor sich hin.

Wenn sein Ehrgeiz erst einmal angestachelt ist, dann kann nichts ihn aufhalten, auch nicht die Tatsache, dass er vom Backen rein gar keine Ahnung hat und seine Geschmacksknospen längst verödet sind.

Natürlich, er hätte wie jeder normale Mensch einfach ein Backbuch lesen oder jemanden fragen können, der sich damit auskennt.

Aber das ist Horatio eben am allerwenigsten: Normal.

Also plagt er sich mit seinen Kuchen-Kreationen im Freistil ab.

Die sehen auch wirklich toll aus.

Was die Optik angeht, da ist Horatio Spitze.

Nur der Geschmack ist seine Achillesferse.

Leider, leider werden die Kuchen nicht nur angesehen, sondern auch probiert.

Das heißt, die Juroren riechen daran und stecken sie sich sogar in den Mund.

Sie bewerten zu Horatios Unglück vor allem den Geschmack. Das Aussehen ist nur das i-Tüpfelchen.

Dieses Jahr, dieses Jahr musste es ihm endlich gelingen.

Horatio rauft sich die Haare. Aber auch das nützt nichts.

„Hätte ich doch bloß auf meine Mutter gehört“, seufzt er und wirft eine weitere toll blinkende, aber stinkende Kuchenkreation in den Mülleimer.

18. März – Mia

Die Stiefel sind geschnürt, der Rucksack gepackt. Endlich kann es losgehen. Ein Jahr Kanada, raus in die Wildnis. Mia weiß nicht, wie sehr sie das verändern wird. Sie weiß nur eines: Ihre große Gabe, ihre sirenenhafte Stimme wird sie auch dort gebrauchen können.
Sie wirft einen letzten Blick auf das alte Jugendzimmer im Haus ihrer Eltern. Sie weiß, dass sie niemals mehr dorthin zurückkehren wird. Ein bisschen wehmütig wird ihr schon ums Herz.

Aber da lockt doch viel zu sehr das Neue, das Unbekannte. Mia schultert ihren Rucksack und geht die Treppe hinab. Ihre Eltern stehen im Flur.

Ein letztes Lebewohl, natürlich weinen jetzt doch alle.

Dann öffnet Mia die Tür und tritt hinaus. Das Taxi wartet, dass sie zum Flughafen bringt. Ihren großen Rucksack wirft sie in den Kofferraum, steigt ein, winkt noch ein letztes Mal und schaut nicht zurück.

Kanada wartet.

Ein dickes Grinsen breitet sich über Mias Gesicht aus.

Übrigens kehrt Mia erst nach zehn Jahren aus Kanada zurück, nachdem sie sich dort als Opernsängerin etabliert hat.

Dann wird sie die zweite Bundeskanzlerin Deutschlands und später die erfolgreichste Marktschreierin der Welt.

16. März – Mias Geburt

Am Tag von Mias Geburt verdunkelte sich die Sonne. Nur für wenige Minuten. Es war ein großes Spektakel. Schließlich gab es nicht jedes Jahr eine totale Sonnenfinsternis, die in Mitteleuropa sichtbar war.

Mias Mutter allerdings interessierte sich überhaupt nicht für die Sonnenfinsternis, auch nicht für andere Dinge, die außerhalb ihrer selbst geschahen. Mias Mutter war voll und ganz damit beschäftigt Mia durch den Geburtskanal auf die Welt zu pressen und dabei irgendwie die Schmerzen zu ertragen.

Zum Glück dauerte die eigentliche Geburt nicht sehr lang und als die Sonne wieder in vollem Licht erstrahlte und die Hobbyastronomen und sonstigen Gaffer sich gerade wieder die schwarzen Sonnenbrillen von der Nase genommen hatten, konnten sie in weiter Ferne das Brüllen von Mia hören.

Denn Mia konnte sehr laut brüllen – und ausdauernd. Also brüllte Mia – laut und ausdauernd.
Mia hörte nur damit auf, wenn sie an der Brust ihrer Mutter liegen konnte.
Überhaupt war Mia ein sehr eigenwilliges Kind.

Passte ihr etwas nicht, dann brüllte sie.

Und wenn ihr etwas gefiel, dann strahlte sie übers ganze Gesicht – vom Tag ihrer Geburt an.
Und wenn Mias Eltern nachts wieder einmal nur wenig Schlaf fanden, dann trösteten sie sich damit, dass ihre Mia ein ganz besonderes Kind sein musste und aus ihr gewiss einmal etwas Großes werden würde: eine Opernsängerin, Bundeskanzlerin oder doch wenigstens die erfolgreichste Marktschreierin der Welt.

14. März – Die alte Akustikgitarre

Im Keller steht eine alte Akustikgitarre mit Stahlsaiten. Sie ist schon etwas verbeult. Sie klingt auch nicht besonders gut. Irgendjemand hat einen grässlich aussehenden Aufkleber auf den Korpus geklebt. An der Kante ist der Lack abgesplittert. Vielleicht wird irgendwann einmal jemand in diesen Kellerraum kommen, die Gitarre sehen, sie am Hals packen und ihr ein paar Töne entlocken.

Dann wird er sie wieder fortstellen oder zu dem Entschluss kommen, dass diese Gitarre auf den Sperrmüll gehört, wie all die anderen alten und überflüssigen Dinge im Keller. Der kaputte Radiorekorder, die alte Wäschetrommel, die vergessenen Schallplatten mit Kindermärchen, die bunten Stofftiere, die Sammlung von Schrauben, die alten Gartenscheren, die Kiste mit einzelnen Arbeitshandschuhen, von denen keine zwei zusammenpassen.

Aber vielleicht wird derjenige auch den alten Küchenstuhl mit den Farbklecksen hervorziehen, sich daraufsetzen, die Gitarre sanft auf sein Knie legen, die Saiten stimmen und dann ganz sanft eine wunderschöne Melodie aus diesem alten, vernachlässigten Kasten hervorzaubern. Alles ist möglich.

13. März – Die Uhr tickt

Die Uhr tickt.

Heute beruhigt mich das sehr. Dieses stetige Geräusch gibt mir die Gewissheit, dass alles seinen Gang geht, alles in Ordnung ist, die Welt sich weiterdreht.

Alles ist gut.

Die Uhr tickt.

Heute nervt mich das sehr. Kann es nicht still sein, ganz ohne Rauschen und Ticken und Atmen von der anderen Bettseite. Ich möchte endlich schlafen, endlich Ruhe!
Alles ist unerträglich.

Die Uhr tickt.

Heute bemerke ich das gar nicht. Die Geräusche um mich herum sind so laut und vielfältig. Dort erklingen Stimmen von meinen Gästen, ein Lachen sticht hervor. Musik perlt aus den Lautsprechern wie der Sekt in den Flöten. Ach wie wunderbar.

Alles ist Swing.

Die Uhr tickt.

Warum denn nur so schnell? Ich habe es so eilig, zu viel zu erledigen in viel zu wenig Zeit. Wer hält denn diese erbarmungslosen Zeiger an? Zurückdrehen sollte ich sie. Aber das ändert gar nichts.

Alles ist Eile.

Die Uhr tickt.

Sehnsuchtsvoll schaue ich aus dem Fenster. Wann kommst Du denn endlich. Ich warte und warte. Die Sekunden dauern Stunden. Kann diese Uhr nicht schneller gehen oder Du endlich zurück sein, damit ich Dich in meine Arme schließe?

Alles ist Ungeduld.

Die Uhr tickt.

Da liegst Du, das letzte Mal sehe ich Dein liebes Gesicht. Ich erkenne Dich noch, aber Du bist mir schon entrückt. Einmal noch halte ich Deine Hand und fürchte mich ein wenig dabei. Sie ist so kalt. Haut darf sich nicht so kalt anfühlen.

Alles ist Abschied.

12. März – Der Osterhasen-Streik

Anfang März stimmten die Mitglieder der Gewerkschaft der Osterhasen GDO in ihrer Urversammlung für Streik, die Verhandlungen waren gescheitert, die Friedenspflicht vorbei. Nun folgte der Kampf.

Dabei waren die Forderungen der GDO gar nicht so unverständlich. Die Osterhasen verlangten lediglich ein Verbot für den Verkauf von Schokoladenostereiern, Schokoladenosterhasen und sonstigem österlichen Naschwerk vor Beginn der Karwoche.
Außerdem sollte das Verstecken von Eiern allein das Privileg der staatlich geprüften Osterhasen bleiben und nicht von jedem Krethi und Plethi ausgeübt werden dürfen. Es wurden in den letzten Jahren bereits Piccolos und Zigarettenstangen in Osternestern entdeckt. Solche Ostergaben waren selbstverständlich völlig unakzeptabel und sollten in Zukunft vermieden werden.

Außerdem verlangten die Mümmelmänner eine Mohrrübenerhöhung um 10 %.
Leider hörte keiner auf sie.

Die Öffentlichkeitsarbeit der GDO war nicht so besonders modern. Die armen Hasen kannten nur altmodische Schreibfedern oder aufwändigen Kartoffeldruck. Deshalb erreichten die sorgfältig getexteten Mitteilungen die Öffentlichkeit leider zu spät.
Die Arbeitgebervertreter nahmen die Osterhasen nicht Ernst.

So kam es, dass am Ostermorgen zahlreiche Nester leer blieben. Nur wenige Streikbrecher hatten versucht, wenigstens das Osterfest zu retten, aber es gelang ihnen nicht.

Kinder weinten, Eltern fluchten und Politiker traten zurück. Sogar der Papst geriet in arge Bedrängnis. Er wurde mit wütenden Rufen empfangen, als er seinen Segen Urbi et Orbi erteilen wollte.

Dies war dann doch zu viel. Den Forderungen der GDO wurde stattgegeben.

Erst seit dieser Zeit wird das Osterfest wieder genauso ursprünglich gefeiert, wie es einmal gedacht war.